Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
Weiterhin Schlupflöcher bei Leiharbeit …
1. Neuregelung der Leiharbeit zum 01.04.2017
Am 21.10.2016 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur „Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ verabschiedet. Das Gesetz tritt zum 01.04.2017 in Kraft und soll ausweislich der Gesetzesbegründung u.a. die Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin begrenzen, dem Missbrauch der Leiharbeit entgegenwirken und Rechte der Leiharbeitnehmer stärken. Ein dringender Handlungsbedarf im Recht der Leiharbeit ist angesichts der zumeist schlechten und perspektivlosen Arbeitsbedingungen seit mehreren Jahren evident und hat auch 2013 seinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Darin heißt es:
„Den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit werden wir verhindern“. (Koalitionsvertrag)
Knapp drei Jahre später stellt sich die Frage, welchen Beitrag das „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes“ zur Verhinderung des Missbrauchs der Leiharbeit und zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Leiharbeit nun tatsächlich leisten kann. Das Gesetz beabsichtigt eine Verbesserung vor allem über die Bestimmung von Überlassungshöchstdauern, Regelungen zur Gleichstellung bei Arbeitsentgelten (equal-pay) und Bestimmungen zum Einsatz von Leiharbeitnehmern als „Streikbrecher“ zu erreichen.
2. Neuregelung: Höchstüberlassungsdauer
Ein wesentlicher Teil der Neuerungen sind Vorgaben zu Überlassungshöchstdauern für Leiharbeitnehmer.
Was gilt bisher?
Nach geltendem Recht existieren hier keine festen Grenzen. Anknüpfungspunkt ist allein die Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, wonach die Arbeitnehmerüberlassung „vorübergehend“ erfolgt. Was tatsächlich eine „vorübergehende“ Überlassung ist und wo hier die Grenzen zu ziehen sind, ist bislang nicht abschließend geklärt. Auch das BAG hat die Anforderungen bisher offen gelassen und allein klargestellt, dass jedenfalls eine Überlassung ohne jegliche zeitliche Begrenzung nicht mehr „vorübergehend“ ist
(BAG, Beschluss vom 30.09.2014, 1 ABR 79/12).
Neu: Grundsatz 18 Monate und arbeitsplatzbezogene Betrachtung
Die Neuregelungen sollen hier Klarheit schaffen und vermeiden, dass Arbeitnehmerüberlassung zweckentfremdet und dauerhaft als günstige Beschäftigungsoption genutzt wird.
Die Neuregelung sieht vor, dass Leiharbeitnehmer grundsätzlich höchstens bis zur Dauer von 18 Monaten bei einem Entleiher eingesetzt werden können (BT-Drs. 1809232). Anknüpfungspunkt soll dabei nicht der konkrete Arbeitsplatz, sondern der konkrete Leiharbeitnehmer in Person sein. Demnach fällt der Fall, dass ein konkreter Arbeitsplatz mit wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt wird, nicht unter den Anwendungsbereich der Neuregelung.
Ausnahmen bei Zeitablauf, Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung!
Aufgeweicht wird die Regelung durch zahlreiche Ausnahmen. So werden zunächst vorherige Beschäftigungszeiten nur auf die Höchstüberlassungsgrenze angerechnet, wenn zwischen den jeweiligen Einsätzen des Leiharbeitnehmers nicht mehr als 3 Monate liegen (BT-Drs. 1809232). Anders ausgedrückt ist bei einer Unterbrechung über drei Monaten eine erneute Höchstüberlassung von 18 Monaten denkbar.
Darüber hinaus sieht das Gesetz die Möglichkeit der Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer durch Tarifvertrag oder Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung vor (BT-Drs. 1809232).
Zunächst kann in tarifgebundenen Unternehmen durch Tarifvertrag der jeweiligen Einsatzbranche eine 18 Monate übersteigende Überlassungshöchstdauer bestimmt werden. Eine Beschränkung nach oben ist hier nicht vorgesehen.
Aber auch nichttarifgebundene Unternehmen können eine längere Überlassungshöchstdauer festlegen, wenn
– der Entleiherbetrieb in den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fällt
– dieser Tarifvertrag eine Höchstüberlassungsgrenze vorsieht
– und diese Regelung „inhaltsgleich“ in einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung verankert wird.
Aber auch wenn ein einschlägiger Tarifvertrag keine konkrete Überlassungshöchstdauer festlegt, ist eine Abweichung durch Betriebsvereinbarung möglich, soweit der Tarifvertrag selbst eine Öffnungsklausel vorsieht. Entscheidend ist hier, ob die Öffnungsklausel wiederum selbst rahmenmäßig eine Höchstdauer vorgibt. Wenn die Öffnungsklausel keine Beschränkung vorsieht, sind die Betriebsparteien im tarifgebundenen Unternehmen frei in ihrer Regelungskompetenz, wohingegen in nichttarifgebundenen Unternehmen eine Überlassungshöchstdauer nur bis zu 24 Monaten vereinbart werden kann. Wenn die tarifliche Öffnungsklausel einen Rahmen der Überlassungshöchstdauer vorgibt, können die Betriebsparteien sowohl im tarifgebundenen als auch im nichttarifgebundenen Unternehmen den Rahmen durch betriebliche Regelungen ausschöpfen.
Was gilt bei einem Verstoß gegen die Höchstüberlassungsgrenzen?
Nach der Neuregelung sind Verträge unwirksam, wenn hierbei die Höchstüberlassungsgrenzen überschritten werden. Etwas anderes soll nur gelten, wenn der Leiharbeitnehmer schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher erklärt, am Arbeitsvertrag festhalten zu wollen. Die Unwirksamkeit des Vertrages hat eine Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zur Folge. Daneben kann ein Verstoß gegen die Höchstüberlassungsgrenzen eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
Kritik zur Neuregelung der Höchstüberlassungsgrenzen
Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde die Regelung zu den Höchstüberlassungsgrenzen vielfach kritisiert.
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages weist in seinem Gutachten anlässlich des Gesetzesentwurfes darauf hin, dass weiterhin „Rotationslösungen“ denkbar seien (siehe hierzu: wd-6-113-16). Hierin ist zum einen die Möglichkeit genannt, denselben Leiharbeitnehmer nach drei Monaten auf demselben Arbeitsplatz beschäftigen zu können und somit die Höchstüberlassungsgrenzen von 18 Monaten mehrfach zu wiederholen.
Beispiel: Zeitarbeitsfirma Z verleiht Leiharbeitnehmer A für 18 Monate beim Entleiher X. Nach Ablauf der 18 Monate wird der Leiharbeitnehmer A entweder für 3 Monate bei einem anderen Entleiher Y eingesetzt, oder wenn dies nicht möglich ist, 3 Monate nicht eingesetzt (Vergütung wird jedoch weiter gezahlt). Anschließend wird A wieder für 18 Monate beim Entleiher X eingesetzt. Dies entspricht einem Einsatz von 36 Monaten innerhalb von 39 Monaten.
Die andere Möglichkeit besteht darin, auf einem bestimmten Arbeitsplatz fortlaufend Leiharbeitnehmer zu beschäftigen, solange nach spätestens 18 Monaten der Leiharbeitnehmer „ausgetauscht“ wird.
Beispiel: Zeitarbeitsfirma Z verleiht für mehrere Jahre ohne zeitliche Unterbrechung Leiharbeitnehmer an den Entleiher X.
Auch DIE LINKE hat in ihrem Antrag vom 20.09.2016 (BT-Drs. 1809664) auf diese Gefahr hingewiesen und dargelegt, dass die weiterhin möglichen Rotationslösungen die Leiharbeit als dauerhaftes Instrument im Einsatzbetrieb legitimiere und somit keinen vorübergehenden Charakter habe, wie dies jedoch von der EU-Leiharbeitsrichtlinie vorgeschrieben sei.
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN haben sich im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses gegenüber der Bestimmung einer Höchstüberlassungsgrenze kritisch ausgesprochen und dies in ihrem Antrag vom 27.01.2016 (BT-Drs. 1807370) niedergelegt. BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sehen bereits die Festlegung einer Höchstüberlassungsgrenze als kontraproduktiv und sehen darin eine Förderung von Drehtüreffekten, wenn bei Erreichen der Höchstüberlassungsgrenze Leiharbeitnehmer ausgetauscht werden. Zudem sei eine einheitliche Festlegung von Höchstüberlassungsgrenzen problematisch, da auch Auftragsspitzen nur branchenspezifisch bestimmt werden könnten und somit starre Grenzen nicht der jeweiligen Branche gerecht würden.
Auch der DGB hat sich im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 19.10.2016 (BT-Drs. 1810064) für die arbeitsplatzbezogene Verankerung von Höchstüberlassungsgrenzen ausgesprochen, um die Entstehung von Drehtüreffekten zu verhindern.
Die IG-Metall hat im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 19.10.2016 (BT-Drs. 1810064) ebenfalls auf die Gefahr von „rotierenden Einsatzsystemen“ hingewiesen, sieht jedoch insgesamt die nun vorliegenden Regelungen als „einen begrüßenswerten Schritt in Richtung mehr Ordnung am Arbeitsmarkt“.
Die Kritik ist berechtigt, da eindeutig weiterhin die Möglichkeit zum Missbrauch der Leiharbeit besteht.
Warum 18 Monate?
Zu ergänzen ist, dass auch die festgelegte Höchstgrenze von 18 Monaten keine sachliche Grundlage zu haben scheint. Warum also gerade 18 Monate? Auch die Gesetzesbegründung äußert sich hierzu nicht, so dass der Eindruck einer willkürlichen Festlegung entsteht.
Gegenläufige Wertung zum Befristungsrecht
Zudem ist auch die beschränkte Anrechnung von Beschäftigungszeiten auf die Höchstüberlassungszeit nicht überzeugend. Dies zeigt sich vor allem bei einem Vergleich mit dem Befristungsrecht. Hier ist eine erneute Befristung ohne besonderen Sachgrund per Gesetz unzulässig, wenn zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber bestanden hat. Allenfalls unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG wäre eine erneute Befristung nach drei Jahren möglich. Es erschließt sich insoweit nicht, warum hier Unterschiede gelten sollen, wo auch die Befristung ein Flexibilisierungsmittel zugunsten der Arbeitgeber darstellt und hier jedoch zum Schutze der Arbeitnehmer ein Verbot der erneuten sachgrundlosen Befristung besteht.
2. Neuregelung: Gleichstellungsregelungen „equal-pay“
Eine Stärkung der Rechte der Leiharbeitnehmer verspricht sich das Gesetz zudem von einer Neuregelung zur Gleichstellung der Vergütung der Leiharbeitnehmer (equal-pay).
Was galt bisher?
Nach derzeitiger Gesetzeslage sind Unternehmer grundsätzlich verpflichtet, Leiharbeitnehmern die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer beim Entleiher geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen (einschließlich des Arbeitsentgelts), zu gewähren (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG, § 9 Nr. 2 AÜG). Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn ein Tarifvertrag dies vorsieht und hierbei nicht durch Rechtsverordnung festgesetzte Mindeststundenentgelte (derzeit: alte Bundesländer: 9 Euro und neue Bundesländer einschl. Berlin: 8,50 Euro) unterschritten werden. Abweichende tarifliche Regelungen sind wiederum ausgeschlossen, wenn Leiharbeitnehmer in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung aus einem Arbeitsverhältnis innerhalb des Konzerns ausgeschieden sind.
Neu: Teilweise Abkehr von Tarifprivileg
Das Gesetz zur Neuregulierung der Leiharbeit sieht hierzu vor, die Möglichkeit der Tarifausnahme auf 9 Monate zu begrenzen, nach deren Ablauf grundsätzlich eine Gleichstellung erfolgen muss (BT-Drs. 1809232). Eine längere Abweichung ist demgegenüber möglich, wenn zum einen spätestens nach 15 Monaten ein Entgelt gezahlt wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig anerkannt gilt und nach einer Einarbeitungszeit von 6 Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt. Bei zeitlich versetzten Einsätzen gilt, dass nur Einsätze, die maximal drei Monate auseinanderliegen, angerechnet werden.
Was gilt bei einem Verstoß gegen den Gleichstellungsgrundsatz?
Bei einem Verstoß gegen die Regelungen zur Gleichstellung ist in erster Linie die entsprechende vertragliche Vereinbarung unwirksam. Gleichzeitig kann ein Verstoß zum Widerruf der Verleiherlaubnis führen, womit zugleich die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum entleihenden Betrieb verbunden sein könnte. Zuletzt kann auch eine Ordnungswidrigkeit vorliegen, welche mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann.
Kritik: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?
Was auf den ersten Blick als positive Entwicklung gesehen werden könnte, muss angesichts der Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und der begrenzten Anrechnung auf drei Monate relativiert werden. Denn auch hier bestehen Schlupflöcher, die beabsichtigte Gleichstellung der Leiharbeitnehmer zu unterlaufen.
Schlupflöcher für Unternehmer
Unternehmer könnten die Neuregelung umgehen, indem sie Leiharbeitnehmer nach einer Pause von über drei Monaten erneut beschäftigen und sich hier erneut auf eine geringere Vergütung nach Tarifvertrag berufen. So könnte dann entweder für erneute 9 Monate eine abweichende Vergütung gezahlt werden oder eine erneute 15-monatige Heranführung an den tarifvertraglich als gleichwertig anerkannten Lohn festgelegt werden. Besonders hervorzuheben ist, dass dann auch die Höchstüberlassungsgrenze von vorne beginnt.
Beispiel: Zeitarbeitsfirma Z verleiht Leiharbeitnehmer A an den Entleiher X zunächst für 9 Monate, wobei ein Tarifvertrag ein geringeres Entgelt vorsieht. Nach Ablauf der 9 Monate wird für 3 Monate ein anderer Leiharbeitnehmer eingesetzt. Nach den drei Monaten wird erneut A eingesetzt, der wiederum den gleichen „geringeren“ Tariflohn erhält.
Auch auf diese Möglichkeit hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bereits hingewiesen und konkretisiert, dass insbesondere die Möglichkeit besteht, bspw. Leiharbeitnehmer halbjährlich wechselnd in zwei Entleiherbetrieben einzusetzen, um auf diese Weise eine Gleichstellung zu vermeiden.
Spürbare Veränderungen bei Leiharbeitnehmern?
Hinzu kommt die Frage, welche tatsächlichen Verbesserungen die Änderungen bei betroffenen Leiharbeitnehmern bringen können. DIE LINKE weist hierzu in ihrem Antrag vom 20.09.2016 (BT-Drs. 1809664) darauf hin, dass nur eine geringe Anzahl der Leiharbeitnehmer von der Neuregelung erfasst werden würden und sprechen sich daher für eine ausnahmslose Gleichstellung ab dem ersten Arbeitstag aus. So seien nach 15 Monaten nur noch ca. 15 % der Leiharbeitnehmer noch bei demselben Verleiher beschäftigt. Mehr als die Hälfte bleibe nur ca. drei Monate. Auch BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sprechen sich in ihrem Antrag vom 27.01.2016 (BT-Drs. 1807370) für eine ausnahmslose Gleichstellung ab dem ersten Tag und die Streichung des Tarifvorbehaltes aus.
Der DGB kritisiert darüber hinaus, dass nach der Neufassung des § 8 Abs. 1 des neuen Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zwar nach den zuvor beschriebenen Modalitäten eine Gleichstellung hinsichtlich des Arbeitsentgelts zu erfolgen hat (equal-pay), hierbei jedoch eine Vermutungsregelung greift, wonach eine Gleichstellung angenommen wird, wenn Leiharbeitnehmer ein tarifvertragliches (oder ein für die Einsatzbranche durch Tarifvertrag einschlägiges) Arbeitsentgelt erhalten (BT-Drs. 1810064). Der DGB fordert in diesem Zusammenhang, dass auch Zahlungen aus weiteren Rechtsquellen, wie dem Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarungen, die für vergleichbare Arbeitnehmer zu zahlen sind, berücksichtigt werden.
Vorschlag: Flexibilitätsprämie für Leiharbeitnehmer
Wie auch DIE LINKE fordern BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zudem eine zusätzliche Flexibilisierungsprämie für Leiharbeitnehmer in Höhe von 10 % als Ausgleich für höhere Flexibilitätsanforderungen (BT-Drs. 1807370). Diesen Vorschlag begrüßt auch das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung und weist im Rahmen der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales vom 19.10.2016 (BT-Drs. 1810064) darauf hin, dass eine entsprechende Regelung auch in Anlehnung an die Argumentation zum gesetzlichen Mindestlohn gerechtfertigt werden könnte.
Die Kritik ist berechtigt und auch die Schlupflöcher sind nicht zu leugnen. Eine verbindliche Gleichstellung ab dem ersten Tag in Kombination mit einer Flexibilisierungsprämie würde zudem den Anreiz erhöhen, Arbeitnehmerüberlassung auf das tatsächlich notwendige Maß zu reduzieren. Den bereits erfolgten Einwänden von Unternehmern einer höheren Kostenbelastung muss dann die Frage entgegengehalten werden, ob nicht auch aus Arbeitgebersicht der hiermit verbundene Freikauf von Arbeitgeberfunktionen die Flexibilitätsprämie rechtfertigt.
3. Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher verhindern
Außerdem soll die Gesetzesnovelle den Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher, in Betrieben die von einem Arbeitskampf betroffen sind, einschränken.
Was gilt bisher?
Nach geltendem Recht sind Leiharbeitnehmer (zumindest in rechtlicher Hinsicht) nicht verpflichtet, bei einem Entleiher, dessen Betrieb unmittelbar bestreikt wird, tätig zu werden. Verboten war der Einsatz hingegen bislang nicht, so dass ein Einsatz auf Wunsch oder mit Einverständnis des Leiharbeitnehmers möglich war.
Neuregelung: Verbot des Einsatzes als Streikbrecher
Hierzu erfolgt eine Neuregelung, wonach der Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher grundsätzlich verboten wird. Ein Einsatz soll nur möglich sein, wenn sichergestellt ist, dass nicht Tätigkeiten von Streikenden übernommen werden. Das Verbot soll dabei ausweislich der Gesetzesbegründung unabhängig von der Einwilligung des Leiharbeitnehmers und unabhängig vom Leistungsverweigerungsrecht gelten. Verstöße gegen das Verbot sollen mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro geahndet werden können.
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN fordern hierzu in ihrem Antrag vom 27.01.2016 (BT-Drs. 1807370) eine ergänzende Klarstellung, dass Leiharbeitnehmer hierdurch ihren Lohnanspruch nicht verlieren. Der DGB fordert hierzu eine Ausweitung auch hinsichtlich der Konzernleihe, welche hiervon grundsätzlich nicht erfasst wäre (BT-Drs. 1810064).
Die Neuregelung ist zu begrüßen, da hiermit ein möglicher Druck auf Leiharbeitnehmer von vornherein ausgeschlossen wird.
4. Fazit und Handlungsbedarf
Das Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wird hinsichtlich der zu erwartenden Wirkung allenfalls minimale Veränderungen mit sich bringen und die angekündigte Verhinderung des Missbrauches der Leiharbeit aller Voraussicht nach nicht erfüllen können. Es bestehen zu viele Schlupflöcher, so dass eine Verhinderung des Missbrauches der Leiharbeit allenfalls auf Grundlage von „Good-Will“ der Arbeitgeber realisiert werden kann. Die Vorgehensweisen vieler Unternehmer in der Vergangenheit lassen hier allerdings vermuten, dass diese Erwartung nicht erfüllt werden wird. Somit zeichnet sich bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes ein erneuter Reformierungsbedarf ab. Besondere Bedeutung wird hierbei die Frage haben, ob Leiharbeit tatsächlich als „dauerhaftes arbeitsmarktpolitisches Instrument“ zur Beschäftigungssicherung zu etablieren ist – wie es die Gesetzesbegründung formuliert – oder sich Leiharbeit und langfristige Beschäftigungssicherung gegenseitig ausschließen.
Was kann der Betriebsrat tun – Praxistipps für Betriebsräte
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Gesetzesnovelle für Betriebsräte?
- Es ist damit zu rechnen, dass Unternehmer gezielt auf Betriebsräte zugehen werden, um von der Möglichkeit einer längeren Überlassungshöchstdauer durch Betriebsvereinbarung Gebrauch zu machen. Wenn das geschieht, sollte Betriebsräten zunächst bewusst sein, dass jede Verlängerung für den einzelnen Leiharbeitnehmer eine nachteilige Abweichung gegenüber dem gesetzlichen Regelfall von 18 Monaten darstellt. Darüber hinaus sollte Betriebsräten bewusst sein, dass hier allenfalls eine freiwillige Betriebsvereinbarung in Betracht kommt, so dass der Arbeitgeber den Abschluss nicht erzwingen kann. Gleichzeitig könnte der Betriebsrat (soweit er sich für eine freiwillige Betriebsvereinbarung entscheidet) diese Ausgangslage nutzen, um hier Kopplungsgeschäfte abzuschließen, durch welche andere Bedingungen für Leiharbeitnehmer verhandelt und etwaige Nachteile ausgeglichen werden könnten.
- Betriebsräten des entleihenden Betriebes sollte bewusst sein, dass auch Leiharbeitnehmer in den Anwendungsbereich erzwingbarer Mitbestimmungsrechte fallen können, so z.B. hinsichtlich der Rechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3, 6, 7, 12 und 13 BetrVG. Gleichzeitig sollten diese Betriebsräte bedenken, dass bei Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung (z.B. bei Überschreiten der Höchstüberlassungsgrenzen) ein Arbeitsverhältnis zum entleihenden Betrieb fingiert wird und hiermit das Arbeitsverhältnis des (Leih-) Arbeitnehmers vollumfänglich unter die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats fallen könnte. Auch der Betriebsrat des entleihenden Betriebes sollte diese Möglichkeiten bedenken.
- Betriebsräte werden sich mit den Neuregelungen im Hinblick auf die Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG befassen müssen. Der Betriebsrat kann zur Einstellung eines Leiharbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung verweigern, wenn die Einstellung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ein gesetzliches Verbot kann hierbei ein Verstoß gegen Höchstüberlassungsgrenzen darstellen, so dass die entsprechenden Kenntnisse notwendig sind. In diesem Zusammenhang sollten Betriebsräte auch bedenken, dass ein Verstoß gegen Höchstüberlassungsgrenzen eine Fiktion des Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zur Folge haben könnte, so dass sich hier nicht nur die Frage der Zustimmung zur Einstellung, sondern auch bei der Eingruppierung stellen kann.
- Da weiterhin Rotationslösungen zum Missbrauch der Leiharbeit denkbar sind, sollten Betriebsräte außerdem genau beobachten, ob sich solche abzeichnen und ein Konzept erarbeiten, wie sie ihre Mitbestimmungsrechte einsetzen können, um einem Missbrauch entgegenzuwirken.
Forderungen an die Politik
Höchstüberlassungsgrenzen
- Die Höchstüberlassungsgrenzen sollten verbindlich ohne Ausnahme festgeschrieben werden
- Höchstüberlassungsgrenzen dürfen nicht allein arbeitsplatzbezogen, sondern müssen auchleiharbeitnehmerbezogen festgelegt werden. Um einen Missbrauch insgesamt zu verhindern, ist daher notwendig, dass sowohl eine arbeitsplatz- als auch leiharbeitnehmerbezogene Höchstüberlassungsgrenze festgelegt wird.
- Jede vorherige Tätigkeit beim Entleiher, unabhängig von ihrer Dauer oder Unterbrechung wird im Rahmen der Höchstüberlassungsgrenzen berücksichtigt
Gleichstellung der Leiharbeitnehmer
- Ausnahmslose Gleichstellung der Leiharbeitnehmer einschließlich aller Zulagen ab dem ersten Tag ohne Abweichungen
- Zahlung einer Flexibilitätsprämie entsprechend bisheriger Vorschläge der Opposition
Kostenhinweis für Betriebsräte
Jeder Sachverhalt ist unterschiedlich. Darum beraten wir Betriebsräte ganz individuell und bieten ihnen maßgeschneiderte Lösungen für jeden Einzelfall. Die Beratung ist kostenpflichtig. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, gemäß § 40, ggf. in Verbindung mit § 80 Abs. 3, BetrVG die erforderlichen Kosten für eine Rechtsberatung des Betriebsrats zu übernehmen. Gerne können Sie kostenlos und unverbindlich Kontakt mit uns aufnehmen. Wir informieren Sie dann vorab über die Höhe der zu erwartenden Kosten und die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers.