Kündigung wegen früherer Stasimitarbeit unwirksam – LAG Berlin stärkt Kündigungsschutz
Urteil des LAG Berlin-Brandenburg, AZ: 5 Sa 462/17
Auch 27 Jahre nach der Wiedervereinigung stellt sich bis heute die Frage nach dem arbeitsrechtlichen Umgang mit ehemaligen Stasimitarbeitern. In den letzten Jahren gab es immer wieder Kündigungen, die mit früheren Stasitätigkeiten begründet wurden. Ein prominentes Beispiel war der kurzzeitige Berliner Staatssekretär Andrej Holm, der zunächst aufgrund seiner früheren Stasikontakte seinen Posten niederlegen musste und anschließend auch sein Job bei der Humboldt-Universität verlieren sollte. Nun hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem vergleichbaren Fall eine ausgesprochene Kündigung wegen früherer Stasitätigkeit für unwirksam gehalten und das Land Brandenburg verpflichtet, den Kläger weiter zu beschäftigen.
Was ist passiert?
Der betroffene Arbeitnehmer war in seiner Funktion als Militärarzt in den Jahren 1988 und 1989 für die Stasi als inoffizieller Mitarbeiter tätig. Seit 1990 war er dann beim Land Brandenburg beschäftigt, zuletzt als stellvertretender Direktor des Landesinstitutes für Rechtsmedizin des Landes Brandenburg. Die Frage nach einer evtl. Mitarbeit für die Stasi verneinte der Arbeitnehmer 1991 wahrheitswidrig. Als er sich dann 2016 für die Stelle des Direktors des Landesinstitutes für Rechtsmedizin beworben hatte, erfuhr das Land von der früheren Stasimitarbeit und kündigte, nachdem dies durch den Arbeitnehmer erneut geleugnet wurde, das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß.
Wie hat das Gericht entschieden?
Nachdem bereits das Arbeitsgericht entschieden hatte, dass die wahrheitswidrige Leugnung der inoffiziellen Stasimitarbeit keine fristlose Kündigung rechtfertigt, hatte nun das Landesarbeitsgericht über die ordentliche Kündigung zu entscheiden. Nach der Rechtsansicht des LAG war auch die ordentliche Kündigung unwirksam. Der Grad der Verstrickung des Arbeitnehmers in die Tätigkeit der Stasi sei als eher gering einzuschätzen. Auch wenn die Leugnung der – im Übrigen sehr lange zurückliegenden – Stasitätigkeit eine Belastung für das Arbeitsverhältnis darstelle, sei insbesondere die lange und bislang unbeanstandete Tätigkeit im Landesdienst zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigten.
Was ergibt sich aus dem Urteil?
Das Urteil zeigt, eine frühere Stasimitarbeit bzw. eine wahrheitswidrige Verneinung eines früheren Stasikontaktes kann nicht stets eine Kündigung rechtfertigen. Auch in solchen Fällen hat eine Interessensabwägung zu erfolgen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie lange das Arbeitsverhältnis schon beanstandungsfrei besteht und wie stark der Grad der Verstrickung in die Arbeit der Stasi war. Einen Automatismus einer Kündigung wegen Leugnung früherer Stasitätigkeit gibt es nicht. Insofern hat das LAG mit seiner Entscheidung den Kündigungsschutz auch ehemaliger Stasimitarbeiter gestärkt.
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