Aktuelle Debatte: Mehrheit will den 8-Stunden-Tag behalten und spricht sich für feste Arbeitszeiten aus
Das Thema Arbeitszeit gehört zu den am heftigsten diskutierten arbeitsrechtlichen Fragen unserer Zeit. Aktuell will die IG-Metall in der anstehenden Tarifrunde die Möglichkeit für vorübergehende Teilzeit bei finanzieller Unterstützung durch die Arbeitgeber durchsetzen, um Arbeit und Familie besser miteinander vereinbaren zu können. Dagegen fordern Arbeitgeber schon seit Längerem eine Flexibilisierung der gesetzlichen Arbeitszeitregeln. Flexibilisierung bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem die Möglichkeit von längeren Arbeitszeiten, eine stärkere Aufteilung des Arbeitstages in mehrere Arbeitsphasen und die Infragestellung der gesetzlichen Ruhezeiten.
Feste Arbeitszeiten – ein Relikt der Vergangenheit?
Vorläufiger Höhepunkt der Debatte waren die Äußerungen von Christoph Schmidt. Der Vorsitzende der fünf sogenannten „Wirtschaftsweisen“ forderte unlängst mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgesetzgebung. Zitat: „Die Vorstellung, dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet, ist veraltet.“ Ginge es nach Herrn Schmidt und vielen Arbeitgebern, soll also in Zukunft länger und zeitlich flexibel gearbeitet werden, d.h. dann und solange es der Arbeitgeber wünscht.
Auch im Rahmen der gerade stattgefundenen Jamaika-Koalitionsverhandlungen wurde von Seiten der FDP und Union eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes gefordert, um den Wünschen der Wirtschaft nachzukommen. Man darf also gespannt auf die neue Regierung sein…
Was wollen die Arbeitnehmer?
Die große Mehrheit der Beschäftigten will jedoch am bisherigen Modell der festen Arbeits- und Ruhezeiten festhalten. Dies ergab eine Studie, die im Auftrag des Nachrichtenmagazins SPIEGEL ONLINE erstellt wurde. Demnach wünschen sich rund 68 % aller Befragten die Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeitgestaltung (www.spiegel.de).
Was gilt aktuell?
Bislang sieht das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) eine normale tägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden vor. Vorübergehend sind auch tägliche Arbeitszeiten von bis zu max. 10 Stunden möglich, wenn innerhalb von einem halben Jahr ein entsprechender Freizeitausgleich erfolgt (§ 3 ArbZG). Hinzu kommen gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten, die jedoch nicht als Arbeitszeit gelten und folglich auch nicht bezahlt werden. Ab einer Arbeitszeit von 6 Stunden ist zwingend eine Pause von insgesamt 30 Minuten zu gewähren, ab einer Arbeitszeit von 9 Stunden haben Pause von insgesamt 45 Minuten zu erfolgen (§ 4 ArbZG). Nach Beendigung der Arbeit ist eine Ruhezeit von 11 Stunden vorgeschrieben, damit sich die Arbeitnehmer regenerieren können (§ 5 ArbZG).
Bereits jetzt besteht schon die Möglichkeit, von diesen Grundsätzen durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen abzuweichen. Auch im Arbeitszeitgesetz selbst sind jede Menge Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen vorgesehen.
Was könnte kommen?
In vielen anderen (außereuropäischen) Ländern stellen Arbeitszeiten von 10 bis 12 Stunden am Tag eher die Regel als die Ausnahme dar. Gesetzliche Ruhezeiten und ein Verbot von Sonntags- und Feiertagsarbeit sind ein Fremdwort. In Zeiten der Globalisierung und internationalen Wettbewerb wird dieser Umstand gern als Argument angeführt, auch in der EU allgemein und in Deutschland speziell gesetzliche Regeln zum Schutz von Arbeitnehmern in Frage zu stellen. Flexibel sollen wir sein und am besten ständig auf Abruf. Dann arbeiten, wenn wir gebraucht werden und solange es die aktuelle Auftragslage von uns verlangt. Die Folge einer solchen Entwicklung der Arbeitsverdichtung und Flexibilisierung sind immer weiter steigende Zahlen von Burnout und stressbedingten Krankschreibungen. Bereits heute sind nach Schätzungen der Krankenkassen etwa 13 Millionen Beschäftigte in Deutschland von Burnout betroffen. 2011 wurden 59,2 Mio. Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen registriert. Das ist ein Anstieg um mehr als 80 % in den letzten 15 Jahren (www.muenchener-institut.de).
Was kann der Betriebsrat tun?
Bei Fragen der Arbeitszeit hat der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Dieses bezieht sich zwar nicht auf die Höhe der geleisteten Arbeitszeit, sehr wohl aber auf die Verteilung und vorübergehende Erhöhung bzw. Verringerung der betrieblichen Arbeitszeiten. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat nämlich über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat er ebenfalls ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von Überstunden.
Will der Arbeitgeber also die betrieblichen Arbeitszeiten ändern oder aber Überstunden anordnen, muss er sich zunächst vorab mit dem Betriebsrat über diese Frage einigen. Dabei ist der Betriebsrat nicht darauf angewiesen zu warten, bis der Arbeitgeber auf ihn zukommt, sondern er hat ein eigenes Initiativrecht.
D.h. er kann selbst das Thema „Arbeitszeit“ auf die Tagesordnung setzen und mit dem Arbeitsgeber eine Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit“ verhandeln. In dieser können Fragen, wie bspw. die zeitliche Lage der Arbeitszeiten im Betrieb, die Einrichtung von Arbeitszeitkonten und das anzuwendende Arbeitszeitmodell (feste Arbeitszeiten, Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Arbeiten im Schichtmodell usw.), aber auch die Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden geregelt werden.
Der Betriebsrat sollte hier seine rechtlichen Handlungsmöglichkeiten nutzen. In einem ersten Schritt empfiehlt es sich, zu eruieren, was die Kolleginnen und Kollegen in punkto Arbeitszeitmodell und Dienstplan wünschen. Aus diesen Eckpunkten lässt sich dann das Grundgerüst für eine Betriebsvereinbarung erstellen. Da in diesem Zusammenhang rechtlich komplexe Fragestellungen geklärt werden müssen, hat der Betriebsrat einen Anspruch darauf, einen Anwalt als Unterstützung hinzuziehen, der ihn bei der Erstellung und Verhandlung der Betriebsvereinbarung unterstützt.
BGHP Betriebsratsberater-Team, 17. November 2017