24.09.2018

1 Milliarde Überstunden im ersten Halbjahr 2018 und statistisch nur alle 230 Jahre eine Kontrolle

Nach einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind im ersten Halbjahr 2018 bereits mehr als 1 Milliarde Überstunden geleistet worden – etwa die Hälfte davon unbezahlt. Besonders prekär ist die Situation im Gaststättengewerbe. Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) arbeiten in diesem Bereich etwa 86 Prozent der Beschäftigten regelmäßig am Wochenende. Auch haben Nacht- und Schichtarbeiten in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Die Behörden sind gefragt
Den ansteigenden Überstunden stehen gleichzeitig sinkende Kontrollen gegenüber. Nach Aussage der NGG haben die Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer im vergangenen Jahr knapp 15.200 Arbeitszeit-Kontrollen durchgeführt – 21 Prozent weniger als im Vorjahr und 41 Prozent weniger als noch im Jahr 2010. Bei rund zwei Drittel aller Kontrollen wurden Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz festgestellt. Vor diesem Hintergrund spricht die NGG von einer „schockierenden Bilanz“ und einem „Kontroll-Desaster“.

Statistisch gesehen müsse ein Betrieb nämlich nur alle 230 Jahre mit einer entsprechenden Kontrolle rechnen. Daher brauchen die zuständigen Aufsichtsbehörden nach Ansicht der NGG dringend zusätzliches Personal, um auch wirksam kontrollieren zu können. Denn offensichtlich reicht Vertrauen allein nicht aus. Dazu die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger. „Wenn ein Betrieb rechnerisch nur alle 230 Jahre mit einer Kontrolle rechnen muss, dann droht das Arbeitszeitgesetz – eines der wichtigsten Schutzgesetze für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland – zum Papiertiger zu werden.“

Wie sieht es in Unternehmen mit Betriebsrat aus?
Vor allem in Betrieben ohne Betriebsrat sind die Anzahl von Überstunden allgemein und den unbezahlten Überstunden im Besonderen deutlich höher als in Betrieben mit Betriebsrat. Hier zeigt sich deutlich die Wichtigkeit von Betriebsräten. Diese haben gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Lage der Arbeitszeiten und vor allem auch hinsichtlich der Anordnung von Überstunden. Soweit keine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde, die es dem Arbeitgeber erlaubt, Überstunden in einen gewissen Umfang auch ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates anzuordnen, ist dieser in jedem konkreten Einzelfall vorab zu beteiligen. Ordnet der Arbeitgeber ohne vorherige Zustimmung Überstunden an, muss der Arbeitnehmer diese Anweisung nicht befolgen, da sie ohne Zustimmung des Betriebsrates nicht rechtswirksam ist (Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung).

Weitere Informationen sind unter folgenden Links zu finden:

https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/az1802.aspx

24.09.2018 BGHP Betriebsratsberater-Team