Ein zu guter Aufhebungsvertrag für ein Betriebsratsmitglied?
Betriebsräte dürfen gemäß § 78 BetrVG wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. In der Praxis geht es bei dieser Norm vor allem um mögliche Benachteiligungen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun einen aktuellen Fall entschieden, in dem ein Betriebsratsmitglied selbst geltend gemacht hat, begünstigt worden zu sein. (BAG, Urteil vom 21.03.2018 – 7 AZR 590/16).
Was war der Fall?
Ein jahrelang freigestellter Betriebsratsvorsitzender sollte wegen angeblicher Verfehlungen gekündigt werden. Bevor es zu einer gerichtlichen Entscheidung kam, einigte er sich mit dem Arbeitgeber im Juli 2013 auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, der sehr gute Konditionen vorsah. So sollte das Arbeitsverhältnis noch zwei Jahre fortgeführt werden. Bis dahin wurde der Betriebsratsvorsitzende von seiner Arbeitspflicht unter Fortzahlung seines Gehaltes i.H.v. 5.000,- ` brutto freigestellt. Zusätzlich erhielt er eine Abfindung i.H.v. 120.000,- `. Darüber hinaus versprach ihm der Arbeitgeber ein Wohnmobil im Wert von rund 50.000,- `.
Etwa ein Jahr später wollte der Betriebsratsvorsitzende von der damaligen Vereinbarung nichts mehr wissen und klagte auf Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages. Sein Argument: Er habe einen zu guten Aufhebungsvertrag erhalten und zwar nur deshalb, weil er Betriebsratsmitglied war. Dies sei eine unzulässige Begünstigung und verstoße gegen § 78 BetrVG. Die Folge: Der Aufhebungsvertrag sei nichtig, so dass das alte Arbeitsverhältnis wieder auflebe und er weiterhin bezahlt werden müsse.
Was sagten die Vorinstanzen?
Sowohl das Arbeitsgericht Saarbrücken (Urteil vom 13.03.2015 – 3 Ca 845/14) als auch das Landesarbeitsgericht Saarland (Urteil vom 22.06.2016 – 1 Sa 63/15) folgten dieser Argumentation nicht. Beide Instanzen hielten den Aufhebungsvertrag für wirksam. Einen Verstoß gegen § 78 BetrVG sahen sie nicht.
Wie hat das BAG entschieden?
Dieser Rechtsposition schloss sich auch das Bundesarbeitsgericht an. Zwar verbietet das Gesetz die Bevorzugung von Betriebsratsmitgliedern ebenso wie deren Benachteiligung. Um einen solchen Fall handele es sich vorliegend aber nicht. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags sei regelmäßig keine unzulässige Begünstigung. In der Tat beinhalte der Aufhebungsvertrag sehr gute Konditionen. Diese hätten aber den Hintergrund, dass sich der Betroffene in einer sehr starken Verhandlungsposition befand:
Betriebsratsmitglieder genießen einen besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15 KSchG. Der Arbeitgeber kann ihnen nur fristlos aus wichtigem Grund kündigen. Außerdem braucht er die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung gemäß § 103 BetrVG. Soweit der Betriebsrat (was in aller Regel der Fall sein wird) mit der fristlosen Kündigung nicht einverstanden gewesen wäre, hätte der Arbeitgeber also die Zustimmung gerichtlich einklagen müssen, ggf. über mehrere Instanzen. Erst dann hätte er die Kündigung überhaupt aussprechen dürfen. Dann hätte der Betriebsratsvorsitzende gegen die Kündigung klagen können, auch wieder über mehrere Instanzen und mit ungewissem Ausgang für den Arbeitgeber. Folglich sei der der Betriebsratsvorsitzende in einer sehr viel besseren Verhandlungsposition als ein „normaler“ Arbeitnehmer gewesen. Dieses erhöhte Prozessrisiko habe er sich vom Arbeitgeber „abkaufen“ lassen. Darin liege aber keine unzulässige Begünstigung „wegen des Betriebsratsamts“.
Praxistipp: Der Fall zeigt, dass es ratsam ist, sich im Vorfeld sehr genau zu überlegen, ob man einen angebotenen Aufhebungsvertrag unterschreiben will – egal, wie attraktiv das Angebot ist. Es empfiehlt sich außerdem, vorher den Vertrag durch einen Anwalt prüfen zu lassen, denn in aller Regel führt späte Reue nicht zu einer Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags.
BGHP Betriebsratsberater-Team, 23.03.2018