06.12.2017

Rechtswidrige Informationserhebung durch Keylogger

Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Daten eines sogenannten Keyloggers, auf die sich ein Arbeitgeber zur Kündigung eines Webentwicklers wegen privater Nutzung seines Rechners während der Arbeitszeit berief, nicht berücksichtigt. Der Grund: Die Überwachung verstieß gravierend gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (BAG Urteil vom 27.07.2017 – Az. 2 AZR 681/16).

Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht spannend: Mit ihr überträgt das BAG seine bisherige Rechtsprechung v.a. zu verdeckter Videoüberwachung auf den Einsatz von Keyloggern. Das Urteil ist das erste, in dem das BAG konkret ein Verbot der Verwertung von Sachvortrag annimmt, und nicht nur von Beweisen. Und mehr noch: Als weitgehendste einer Reihe von neueren Entscheidungen vollendet sie eine Veränderung der Rechtsprechung des BAG, indem sie die Regel aufstellt: Ist die Erhebung von Informationen datenschutzrechtlich unzulässig, ist deren Unverwertbarkeit im Gerichtsverfahren die Regel.

Was war passiert?
Ein Arbeitgeber schrieb eine E-Mail an seine Mitarbeiter, in der er ankündigte, dass sie freien Zugang zum W-LAN bekämen. Gleichzeitig teilte er mit, dass zur Verhinderung von Missbrauch, z.B. Download von illegalen Filmen, der Internet-Traffic und die Benutzung der Systeme mitgelogged und dauerhaft gespeichert werden. Wer damit nicht einverstanden sei, sollte dies binnen einer Woche mitteilen.

Zwei Tage nach seiner E-Mail installierte der Arbeitgeber einen Keylogger auf dem Dienst-PC eines Webentwicklers. Die Software protokollierte sämtliche Tastatureingaben und fertigte regelmäßig Screenshots. Der Arbeitnehmer hatte zu Beginn seiner Beschäftigung eine Erklärung unterschrieben, dass er die betriebliche IT nur für Arbeitsaufgaben nutzen wird.


Die Software protokollierte sämtliche Tastatureingaben und fertigte regelmäßig Screenshots.

Der Arbeitgeber wertete die vom Keylogger erstellten Dateien aus und führte daraufhin ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer. Dieser räumte ein, während der Arbeitszeit ein Computerspiel programmiert und E-Mails für das Unternehmen seines Vaters bearbeitet zu haben. Die Programmierung des Spiels habe von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden gedauert. Für die Firma seines Vaters sei er hauptsächlich in Pausenzeiten etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen. Im Prozess fügte er hinzu, dass auch die Programmierung vor allem in den Pausenzeiten erfolgte.

Was tat der Arbeitgeber?
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin. Dagegen wehrte sich der Webentwickler mit einer Kündigungsschutzklage. Er argumentierte, der Arbeitgeber habe massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Der Arbeitgeber rechtfertigte sich, die Dateien des Keyloggers zeigten, dass der Webentwickler weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels und der Abwicklung von E-Mail-Verkehr für die Firma seines Vaters beschäftigt gewesen sei, als er zugab.

Was sagten die Gerichte dazu?
Alle drei Instanzen waren sich einig: Die Kündigung des Arbeitgebers war unwirksam. Auf die mit dem Keylogger gesammelten Erkenntnisse durfte sich der Arbeitgeber nicht berufen.

Das BAG billigte die Einschätzung des Landesarbeitsgerichts Hamm, dass der Webentwickler tatsächlich nur drei Stunden auf die Programmierung des PC-Spiels verwandte und dies überwiegend während der Pausen. Zudem ging es von nicht mehr als zehn Minuten täglich für den E-Mailverkehr für das Unternehmen des Vaters aus. Die Daten des Keyloggers, die dem Arbeitgeber zufolge die private Nutzung während weitaus mehr Arbeitszeit belegten, sahen alle drei Gerichte als nicht verwertbar an, weil der Arbeitgeber schwerwiegend gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers verstoßen hatte. Sie nahmen daher in Bezug auf die Keylogger-Daten ein Sachvortragsverwertungsverbot an und berücksichtigten diese Daten nicht.

Die Daten des Keyloggers sahen die Gerichte als nicht verwertbar an.

Die Kündigung war infolgedessen unwirksam. Das vom Arbeitnehmer eingeräumte Verhalten stelle zwar auch ohne Berücksichtigung der Daten des Keyloggers eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Diese Pflichtverletzung sei aber nicht so erheblich gewesen, als dass der Arbeitgeber auf eine vorherige Abmahnung hätte verzichten können. Im Betrieb sei erkennbar kein absolutes Verbot der Privatnutzung betrieblicher IT-Einrichtungen gelebt worden. Darüber hinaus sei die verwertbare unzulässige Privatnutzung innerhalb der Arbeitszeit minimal gewesen und eine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung dadurch nicht dargelegt. Da der Arbeitgeber den Webentwickler nicht zuvor abgemahnt hatte, erkannten die Gerichte kein hinreichend gewichtiges Verhalten für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung an. Eine außerordentliche Kündigung schied damit ebenfalls aus.

Wann gehen die Gerichte von einem Verwertungsverbot aus?
Ein Verbot der Verwertung von vorgetragenen Tatsachen oder angebotenen Beweisen folgt nicht in jedem Fall automatisch, wenn der Arbeitgeber bei Erlangung der Tatsachen oder des Beweismittels gegen das allgemeine Persönlichkeit verstoßen hat. Das BAG nimmt ein Verwertungsverbot von Vortrag oder Beweismitteln nur nach einer Abwägung der Interessen des Arbeitgebers mit denen des Arbeitnehmers im Rahmen der Prüfung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG an. Diese Abwägung/Prüfung erfolgt traditionell in zwei Stufen.

Diese Prüfung eines Verwertungsverbots erfolgt in zwei Stufen:

1. Stufe: Auf der ersten Stufe wird gefragt:

Hat der Arbeitgeber mit der Erhebung der Tatsachen oder des Beweises gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen?

Diese Frage wird im Rahmen einer Prüfung der entsprechenden Normen des BDSG (§ 32 Abs. 1 BDSG-alt, § 26 BDSG-neu) beantwortet, durch die der Gesetzgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Arbeitsrecht konkretisiert hat.

Liegt kein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht vor, ist grundsätzlich auch die Verwertung als Vortrag oder Beweismittel im Gerichtsverfahren erlaubt.

Wurden die Informationen (wie die Keyloggerdaten) dagegen unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht gewonnen, folgt die Prüfung der zweiten Stufe:

2. Stufe: Auf der zweiten Stufe wird gefragt:

Verstößt das Gericht selbst gegen das Persönlichkeitsrecht, wenn es den Sachvortrag zulässt, der auf der ersten Stufe unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht gewonnen wurde?

In der Regel ja. Das Gericht darf dann den unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht gewonnenen Sachvortrag bzw. das Beweismittel nicht verwerten.

Nur ausnahmsweise liegt in der Zulassung der rechtswidrig erhobenen Tatsachen bzw. Beweise kein eigener Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht. Dies ist nur der Fall, wenn ein weiteres Interesse des Arbeitgebers neben sein Beweisführungsinteresse tritt.

Vor allem auf der zweiten Stufe, aber auch zur Frage, ob es ein Verwertungsverbot nicht nur von Beweismitteln, sondern auch von Sachvortrag geben kann, vollzieht das Keylogger-Urteil weiter eine Schwerpunktverschiebung im Vergleich insbesondere zur „Lippenstift-Entscheidung“ aus dem Jahr 2007. Darüber hinaus festigt es die Rechtsprechung aus den ebenfalls vor Kurzem ergangenen Entscheidungen des BAG zum Thema Verwertungsverbot (siehe etwa den Bremsklotzunterschlagungsfall/verdeckte Videoüberwachung – BAG, Urteil vom 20.10.2016, Az. 2 AZR 395/15; oder den Pfandunterschlagungsfall/ verdeckte Videoüberwachung – BAG, Urteil vom 22.09.2016, Az. 2 AZR 848/15; oder bereits den Rabattcouponfall/Videoüberwachung – BAG, Urteil vom 16.12.2010, Az. 2 AZR 485/08).

Wie war die Rechtslage in der „Lippenstift-Entscheidung“ 2007?
In seiner „Lippenstift-Entscheidung“ (BAG, Urteil vom 13.12.2007, Az. 2 AZR 537/06) schlug das BAG im Vergleich zur Keylogger-Entscheidung noch deutlich härtere Klänge an. Es sah damals die Tatsache des Funds eines Lippenstifts bei einer Personalkontrolle einer Drogeriemitarbeiterin, den die Mitarbeiterin nicht bestritten hatte, als verwertbar an. Dabei betonte das BAG, dass es im deutschen Zivilprozessrecht keinVerwertungsverbot von Sachvortrag, also der Tatsachen, auf die sich der Arbeitgeber zur Begründung der Rechtmäßigkeit seiner Klage stützt, gebe (Orientierungssatz 4 der „Lippenstift-Entscheidung“). Vielmehr bestehe lediglich ein Verwertungsverbot von Beweisen, die nötig werden, wenn der Sachvortrag umstritten ist. Unstreitigen Sachvortrag habe ein Gericht daher immer zu berücksichtigen.

Im Lippenstiftfall meinte das BAG, es gebe kein Verwertungsverbot von Sachvortrag. Ein Beweisverwertungsverbot erachtete es nur als ganz ausnahmsweise möglich.

Allerdings war bereits in der „Lippenstift-Entscheidung“, wenn auch noch eng umrissen, die Möglichkeit angelegt, rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht zu verwerten. Damals meinte das BAG, ein Verwertungsverbot sei nur anzuerkennen, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm eine solche prozessuale Sanktion zwingend gebiete. Daraus folgerte es, dass ein Verwertungsverbot für Beweise allenfalls in Betracht komme, wenn durch das Verhalten des Arbeitgebers oder seines Vertreters bei der durchgeführten Spätkontrolle Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterin erheblich verletzt wurden (Lippenstift-Randnummer 34). Ein solches Verwertungsverbot sei nur ausnahmsweise anzunehmen (Lippenstift-Randnr. 37).

Aufgrund dieser Aussagen wurde die „Lippenstift-Entscheidung“ zum Teil als der Wechsel zu einem regelmäßigen, nahezu uneingeschränkten Vorrang der Verwertungsmöglichkeit von Beweisen bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts gefeiert. Die Entwicklung bis zum Keylogger-Urteil zeigt jedoch, dass es diesen Wechsel nicht geben sollte. Im Gegenteil:

Bereits am Ende der Entscheidung legte das BAG den Grundstein für die nun weiter vollzogene Entwicklung, wodurch die Entscheidung unkonsistent wirkt: Das allgemeine Interesse an funktionsfähigen Gerichten, die Beweise verwerten können, und das Interesse, sich ein Beweismittel für Ansprüche zu sichern, reiche nicht, um stets ein höheres oder gleiches Gewicht anzunehmen, als es dem Persönlichkeitsrecht zukommt. „Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung eine bestimmte Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als schutzbedürftig qualifizieren. Im Zivilprozess kann es insbesondere Situationen geben, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet.“ (Lippenstift-Randnr. 36; Hervorhebungen des Verfassers)

Was bringt das Keylogger-Urteil von 2017 Neues?
Die folgenden Entscheidungen des BAG aus den letzten Jahren, und nun auch das Keylogger-Urteil, kehren die betonten zwei Hauptaussagen des Lippenstift-Falls um. Jetzt gilt:

1.    Es kann ein Verwertungsverbot nicht nur von Beweismitteln, sondern auch von Sachvortrag geben (Keylogger-Randnr. 16). Ein Verwertungsverbot ist damit auch bei unstreitigen Tatsachen möglich.    

2.    Grundsätzlich gilt bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts ein Verwertungsverbot, es sei denn im Rahmen einer Interessenabwägung treten zum „schlichtem Beweisinteresse“ des Arbeitgebers ausnahmsweise weitere Interessen hinzu (Keylogger-Randnr. 18, 41).
Nötig ist etwa eine Notwehr- oder notwehrähnliche Situation oder eine Notstandslage.

Die einengenden Aussagen aus dem Lippenstift-Fall, die nur ausnahmsweise ein Beweisverwertungsverbot anerkannten, hat das BAG im Keylogger-Fall damit komplett aufgegeben.

Welche Vorteile bringt die Erstreckung des Verwertungsverbots auf den Sachvortrag?
Es ist zu begrüßen, dass das BAG nun auch neben einem Verwertungsverbot von Beweismitteln ein solches von Sachvortrag anerkennt. Der Staat und somit die Gerichte haben die Aufgabe, im Verfahren das Persönlichkeitsrecht zu respektieren und zu schützen. Es muss ihnen daher möglich sein, Beweismittel, die der Arbeitgeber durch Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt hat, nicht zu berücksichtigen. Andernfalls würden die Gerichte durch die Verwertung der Beweise das Persönlichkeitsrecht im Einzelfall weiter verletzen bzw. erneut verletzen.

Nichts anderes kann aber gelten, wenn es nicht um die Verwertung von Beweismitteln geht (wenn die Tatsachen umstritten sind), sondern um die Verwertung von Sachvortrag (wenn die Tatsachen unumstritten sind). Der Arbeitnehmer ist im Prozess zur Wahrheit verpflichtet. Ohne Sachvortragsverwertungsverbot sähe er sich aber genötigt, hinsichtlich Sachvortrags des Arbeitgebers, den dieser unter Verletzung seines Persönlichkeitsrechts erlangt hat, zu lügen und diesen zu Unrecht zu bestreiten, um seine Rechte aus seinem verletzten Persönlichkeitsrecht zu wahren. Dies kann nicht richtig sein. Die Gerichte müssen die Grundrechte wahren, unabhängig davon, ob sich der Arbeitnehmer ausdrücklich darauf beruft (Rabattcouponfall – BAG, Urteil vom 16.12.2010, Az. 2 AZR 485/08, Randnr. 33).

Beschäftigte sollen nicht gezwungen sein, grundrechtswidrig über sie erlangte Informationen bestreiten zu müssen, um ihre Rechte zu wahren.

Was ist der Regelfall? Was die Ausnahme?
Zu begrüßen ist ferner, dass nach dem BAG bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts bei der Erlangung von Informationen oder Beweisen auf der ersten Stufe nur ausnahmsweise deren Verwertung auf der zweiten Stufe zulässig ist. Denn in der Regel wiegt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts bei der Erlangung der Informationen oder Beweise so schwer, dass die anschließende Verwertung ebenfalls einen Grundrechtseingriff darstellt. Dennoch besteht im Rahmen der Abwägung auf der zweiten Stufe genug Raum, um atypischen Fällen gerecht zu werden, in denen trotz der Rechtswidrigkeit auf der ersten Stufe besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer das Interesse des Arbeitgebers oder der Öffentlichkeit an der Verwertung der rechtswidrig erlangten Informationen oder Beweise überwiegt.

Die Entscheidung gibt dem Persönlichkeitsrecht grundsätzlich den Vorrang, lässt aber Raum für atypische Fälle.

Welche weiteren Akzente setzt das Keylogger-Urteil?
Im Übrigen bekräftigt das BAG in seiner Keylogger-Entscheidung seine bisherige Ansicht, dass
§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG-alt
(Datenerhebung für die Aufdeckung von Straftaten) keine Sperrwirkung gegenüber § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG-alt (Datenerhebung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses generell) entfaltet. Danach können Ermittlungsmaßnahmen nicht nur bei Straftatverdacht zulässig sein, sondern auch beim Verdacht oder zur Verhinderung schwerwiegender Pflichtverletzungen.
§ 28 BDSG-alt ist neben § 32 BDSG-alt im Arbeitsverhältnis hingegen nicht mehr anwendbar.

Die Keylogger-Entscheidung hebt dazu hervor, dass Kontrollmaßnahmen, die wenig intensiv in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen, nach § 32 Abs. 1 BDSG auch ohne konkreten Anfangsverdacht möglich sein können. Dies gilt dem BAG zufolge vor allem für offene Überwachungsmaßnahmen, die nach abstrakten Kriterien durchgeführt werden, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellen und der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen.

Demzufolge können auch die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Browsers zulässig sein, um die Einhaltung des Verbots oder einer Beschränkung der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers zu kontrollieren.

Wie haben die Gerichte im Keylogger-Fall das Verwertungsverbot begründet?
Bezüglich der Verwertbarkeit der Keylogger-Daten des Dienst-PCs des Webentwicklers hat das Gericht eine schulmäßige Prüfung vorgenommen. Es hat ging davon aus, dass ein Verwertungsverbot besteht, wenn die Erlangung der Keylogger-Daten auf der ersten Stufe rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht eingriff und eine Abwägung auf der zweiten Stufe ergibt, dass die Verwertung der Daten des Keyloggers mit dem Persönlichkeitsrecht des Webentwicklers unvereinbar ist.

Die 1. Stufe
Dazu hat das BAG auf der ersten Stufe zunächst anhand der Vorschriften des BDSG untersucht, ob die Datenerhebung rechtmäßig war und damit mit dem Persönlichkeitsrecht in Einklang stand. Dies war nicht der Fall, denn der Webentwickler hatte in die Nutzung des Keyloggers nicht eingewilligt. Das Gericht betonte, dass das Unterlassen von Protest oder ein Schweigen auf die Aufforderung, sich bei Nichtzustimmung zu melden, nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden kann.

Auch § 32 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BDSG konnte den Keylogger nicht rechtfertigen. Es fehlte an einem Anfangsverdacht, der über bloße Mutmaßungen hinausging. Das einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Website ließen die Gerichte nicht genügen. Stichhaltige belastbare Tatsachen erlangte der Arbeitgeber erst durch Daten des Keyloggers selbst.

Der Einsatz des Keyloggers war auch insgesamt nicht verhältnismäßig, weil er verdeckt und zeitlich nicht begrenzt erfolgte. Außerdem erfasste und speicherte er alle Eingaben über die Tastatur des PC mit Zeitpunkt und zeitlichen Abstand zwischen zwei Eingaben. So konnte der Arbeitgeber ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil der dienstlichen und privaten Nutzung erstellen, einschließlich der Dokumentation von sensiblen Daten, wie Kreditkartendaten, PIN-Nummern oder Passwörtern.

Die 2. Stufe
Einmal festgestellt, dass die Informationserhebung rechtswidrig war, prüfte das Gericht auf der zweiten Stufe, ob weitere, über das schlichte Beweisinteresse des Arbeitgebers hinausgehenden Aspekte vorlagen, die gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung durch den Keylogger als gerechtfertigt erscheinen lassen konnten. Dies war nicht der Fall. Diesen Punkt konnte das BAG kurz und klar abhandeln, weil ein Arbeitgeber, der eine Überwachungsmaßnahme „ins Blaue hinein“ veranlasst, sich weder in einer Notwehr oder notwehrähnlichen Situation noch in einer Notstandslage befindet. An dieser Stelle auf die besondere Schwere des Grundrechtseingriffs hinzuweisen, hielt das BAG nicht mehr für nötig, weil das Verwertungsverbot bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts die Regel darstellt.


Auf der 1. Stufe war der Einsatz des Keyloggers rechtswidrig. Daraus folgte mangels besonderer weiterer Umstände auch die Unverwertbarkeit der erlangten Daten auf der
2. Stufe.

Die Rechtswidrigkeit der Informationserhebung bildet den Hauptunterschied dieses Falles zu den meisten anderen in letzter Zeit entschiedenen Fällen: In diesen erkannte das BAG einen Anfangsverdacht zumindest gegen einen Kreis von Mitarbeitern, der regelmäßig in Inventurdifferenzen begründet war.
Der Arbeitgeber nahm gewisse Ermittlungsmaßnahmen vor und setzte als letztes Mittel eine Videoüberwachung ein. Daher war die Informationsbeschaffung auf der ersten Stufe häufig rechtmäßig, so dass ein Verwertungsverbot auf der zweiten Stufe nach dem BAG ausschied. Nimmt man ernst, dass es um eine selbstständige Abwägung von Interessen geht, müsste ein Verwertungsverbot aber auch bei rechtmäßiger Informationsgewinnung auf der ersten Stufe bei Hinzutreten weiterer Umstände auf Seiten des Arbeitnehmers auf der zweiten Stufe ausnahmsweise möglich sein.

Was bedeutet die Entscheidung für Betriebsvereinbarungen?
Zu einer wichtigen Fragestellung macht die Keylogger-Entscheidung keine Aussage: Gibt es ein Verwertungsverbot von Sachvortrag und Beweisen, weil der Arbeitgeber durch die Erhebung der Tatsachen gegen das Mitbestimmungsrecht oder eine Betriebsvereinbarung verstößt? Diese Frage stellt sich besonders, wenn sich nach der oben dargestellten Prüfung noch kein Verwertungsverbot ergibt. In früheren Fällen hat das BAG diese Frage verneint. Daher ist Betriebsräten für die Praxis zu empfehlen, in Betriebsvereinbarungen zu IT-Systemen und zum Datenschutz ausdrücklich ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot für Daten aufzunehmen, die ein Arbeitgeber ggf. unter Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung erhoben hat. Nur so lässt sich die Wirksamkeit des zusätzlichen Schutzes der Beschäftigten durch die Betriebsvereinbarung bestmöglich sichern.

Praxistipp für Betriebsräte:
Betriebsräte sollten in IT-Betriebsvereinbarungen für den Fall von Verstößen dennoch weiter ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot aufnehmen. Dieses könnte etwa lauten:

„Auf die aus einem Verstoß gegen diese Betriebsvereinbarung gewonnenen Tatsachen darf sich der Arbeitgeber nicht berufen und die aus einem solchen Verstoß gewonnenen Beweismittel nicht anführen (Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot).“

Bei der Formulierung eines solchen Verbots im Einzelfall unterstützen wir gerne.

Was ist das Fazit?

Das BAG überträgt in seiner Entscheidung nicht nur seine bisherige Rechtsprechung v.a. zu verdeckter Videoüberwachung auf den Einsatz von Keyloggern. Das Urteil ist das erste, in dem das BAG nicht nur sagt, dass es ein Sachvortragsverbot geben kann, sondern es auch konkret angenommen hat (zu der Annahme eines Beweisverwertungsverbots siehe etwa bereits den Spindkontrollenfall, BAG Urteil vom 20.06.2013 – 2 AZR 546/12).    

Die Entscheidung ist bedeutend, weil sie als letzte und weitgehendste einer Reihe von neueren Entscheidungen eine Veränderung der Rechtsprechung des BAG vorerst vollendet:

Ist die Erhebung von Informationen rechtswidrig, ist ihre Unverwertbarkeit die Regel.

Da sich diese Regel dem BAG zufolge bisher aber nicht ohne Weiteres auf Informationen erstreckt, deren Erhebung allein wegen Verstoßes gegen eine Betriebsvereinbarung rechtswidrig ist, raten wir Betriebsräten, in ihre Betriebsvereinbarungen ausdrücklich ein Sachvortrags- und Beweisverwertungsverbot aufzunehmen.