Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

a) Was ist das Ziel des Arbeitsschutzgesetzes?

b) Was bedeutet „Gesundheit“?

c) Gehört auch das psychische Wohlbefinden zur Gesundheit?

d) Was bedeutet „Gesundheitsschutz?

e) Was bedeutet „Sicherheit“?

f)  Was versteht man unter „menschengerechter Gestaltung der Arbeit“?

g) Was versteht man unter „Unfall“?



a) Was ist das Ziel des Arbeitsschutzgesetzes?

Nach § 1 ArbSchG dient dieses Gesetz dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern.

Arbeitsschutzgesetz – § 1 Zielsetzung und Anwendungsbereich

(1)    Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Es gilt in allen Tätigkeitsbereichen.

Was der Gesetzgeber unter „Sicherheit“ und „Gesundheitsschutz“ gemeint hat, hat er selbst im Gesetz nicht definiert.

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b) Was bedeutet „Gesundheit“?
 
Der Gesundheitsbegriff kann wie folgt verstanden werden:

„Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.“

Wenn man diesen engen Begriff anlegt, sind die Förderung der allgemeinen Arbeitszufriedenheit und die Abwehr bloßer Belästigungen als Störungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens, soweit nicht mit einer messbaren Schädigung der Gesundheit von Arbeitnehmern verbunden, außerhalb des Schutzzweckes des Arbeitsschutzgesetzes.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von folgendem Gesundheitsbegriff aus:

„Gesundheit ist der Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens.“

Diese Definition der WHO umfasst z.B. auch Maßnahmen zur Förderung der Arbeitnehmerpersönlichkeit im Arbeitsverhältnis mit dem Ziel der Selbstverwirklichung der Beschäftigten bei der Arbeit.

Die arbeitsrechtliche Literatur vertritt hier sehr unterschiedliche Meinungen, eine abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG liegt noch nicht vor.

c) Gehört auch das psychische Wohlbefinden zur Gesundheit?

Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht sprechen sich klar gegen ein enges Verständnis des Gesundheitsbegriffs aus und erfassen alle körperlichen, aber auch psychischen Faktoren.
Das psychische Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Mitarbeiter sind somit richtigerweise auch vom Gesundheitsbegriff des Arbeitsschutzes erfasst.

Der Europäische Gerichtshof neigt in seiner Rechtsprechung eher zu einem weiten Begriff:

So führte der EuGH im Urteil vom 09.09.2003, Rs. C-151/02, in der Sache Landeshauptstadt Kiel ./. Norbert Jaeger unter Bezug auf vorherige Entscheidungen aus,

„Insoweit ergibt sich … dass die Begriffe Sicherheit und Gesundheit i.S. des Art. 118a EGV […], in der Weise weit ausgelegt werden müssen, dass sie sämtliche körperlichen und sonstigen Faktoren, die die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsumfeld unmittelbar oder mittelbar berühren, […] erfassen. […] hat der EuGH ferner festgestellt, dass eine solche Auslegung sich zudem auf die Präambel der Satzung der Weltgesundheitsorganisation stützen kann, der sämtliche Mitgliedstaaten angehören; diese definiert Gesundheit als den Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als das Freisein von Krankheiten und Gebrechen.“

Auch das Bundesverwaltungsgericht distanziert sich ausdrücklich von einem engen Verständnis des Gesundheitsbegriffs.

In der Entscheidung „Klausureffekte durch undurchsichtigen Schaufensterinnenverblendungen“ des BVerwG, Urteil vom 31.01.1997, 1 C 20/95, führt der 1. Senat aus:

„Der Begriff der Gesundheit ist nicht allgemeingültig definiert. Wird jedoch berücksichtigt, dass § 62 I HGB die Fürsorgepflicht des Prinzipals betrifft (…),, spricht nichts dafür, den Begriff eng zu verstehen. Vielmehr darf er im vorliegenden Normzusammenhang unter Berücksichtigung des Gedankens der Fürsorge jedenfalls nicht auf rein körperliche Funktionen reduziert werden. Er umfasst auch die durch Arbeitsbedingungen beeinflussbaren psychischen Befindlichkeiten, insbesondere psychosomatische Zustände. (…) Der demgegenüber noch weitere Begriff der Gesundheit erstreckt sich danach jedenfalls im Bereich gesetzlich geregelter Fürsorge zum Schutz von Arbeitnehmern auf das psychische Wohlbefinden insoweit, als es durch die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und -bedingungen betroffen werden kann.“

Der 1.Senat des Bundesverwaltungsgerichts unterstreicht, dass § 2 ArbSchG ebenfalls für ein weites Verständnis des Begriffs Gesundheit spricht:

„Der Verordnungsgeber muss sich nicht an einem engen Verständnis des Begriffs der Gesundheit orientieren, sondern darf mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Gesetz seine Bestimmungen an einem Gesundheitsbegriff ausrichten, der das psychische Wohlbefinden der Arbeitnehmer einschließt. Dem entspricht im Übrigen die neuere Entwicklung des Arbeitsschutzrechts. Nach § 2 I des Gesetzes über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigung bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG), das als Art. 1 des bereits erwähnten Gesetzes zur Umsetzung der EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien vom 7. 8. 1996 erlassen worden ist, sind Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter anderem auch Maßnahmen zur Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Auch diese Neuregelung spricht für ein am Fürsorgegedanken ausgerichtetes weites Verständnis des Begriffs der Gesundheit.“

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d) Was bedeutet „Gesundheitsschutz?
Der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Arbeit auf die Gesundheit der Beschäftigten und den Schutz vor arbeitsbedingten Gefahren und Gefährdungen.

Ziel ist die Verhütung und Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen und -gefahren.
Erfasst werden auch langfristige Auswirkungen und die psychische Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet den Arbeitgeber zu entsprechenden Maßnahmen, die erforderlich sind, ebenso berufsgenossenschaftliche Vorschriften.

Da die gesetzgeberischen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften Rahmenvorschriften nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sind, sind in diesem Rahmen alle Maßnahmen und Regelungen mitbestimmungspflichtig.

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e) Was bedeutet „Sicherheit“?

Auch beim Begriff „Sicherheit“ sind enge und weite Auslegungen denkbar.

Zumeist wird die Sicherheit lediglich als spezieller Unterfall der Gewährleistung und Verbesserung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten gesehen.
Die Sicherheit des Beschäftigten ist jedenfalls gefährdet, wenn zu besorgen ist, dass er im Zusammenhang mit seiner Arbeit getötet wird oder einen Arbeitsunfall erleidet.

Der Europäische Gerichtshof neigt auch hier zu einer Auslegung im Sinne eines weiten Begriffs. Insoweit sei auf das oben angegebene Zitat der Jaeger-Entscheidung verwiesen, in der der EuGH neben dem Begriff Gesundheit auch den Begriff Sicherheit weit verstanden wissen will.

Da das Begriffspaar „Sicherheit“ und „Gesundheitsschutz“ aus dem Wortlaut des Artikels 138 EGV stammt und der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften festlegt,

„um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer verstärkt zu schützen“,

wird auch hier die Auslegung des Europäischen Gerichtshofes letztlich auch für das deutsche Recht maßgeblich sein.

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f)  Was versteht man unter „menschengerechter Gestaltung der Arbeit“?    
 

Nach Art. 6 Abs. 2b der Rahmenrichtlinie müssen die allgemeinen Grundsätze der Gefahrenverhütung den Faktor „Mensch“ bei der Arbeit berücksichtigen.

In der englischen Fassung der europäischen Richtlinie wurde die Grundpflicht wie folgt formuliert:„adapting the work to the individual“

Gleichlautend in der französischen Fassung:

„adapter le travail à l’homme“


Die Arbeit an das Individuum, an den Menschen anpassen.
Eine einfachere und geradliniger formulierte Forderung des Arbeitsschutzes als die deutsche Bezeichnung der menschengerechten Gestaltung der Arbeit.

Inhaltlich ist aber das gleiche gemeint:

Nicht der Arbeitnehmer in seiner Individualität muss sich an die Arbeit, sondern die Arbeit muss an die Individualität des Arbeitnehmers angepasst werden.
Diese Anpassung hat präventiv und gesundheitsbezogen zu erfolgen und die  Arbeitsbedingungen sind unter arbeitsphysiologischen und arbeitspsychologischen Gesichtspunkten zu gestalten. Die Anpassung schließt die Gestaltung der Arbeitsumgebung und/oder -organisation ein.

Im Kern geht es somit um die Anpassung der Arbeit an die physischen und psychischen Eigenschaften und Fähigkeiten des einzelnen Beschäftigten.

Der Begriff der menschengerechten Gestaltung der Arbeit weist auf ein ganzheitliches, nicht eng verstandenes Verständnis von Gesundheit hin, die auch die Förderung und Entfaltung der Persönlichkeit der Beschäftigten einbezieht. Dieses Verständnis steht im Einklang mit den Erkenntnissen der Arbeitswissenschaft.

Allerdings will ein Teil der Literatur nach Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit differenzieren, die dem Gesundheitsschutz zugeordnet werden können und anderen, die reinen Humanisierungsaspekt ohne gesundheitlichen Bezug haben. Dazwischen soll es eine Schnittmenge, eine „nicht ganz schmale Zone von Regelungen oder Maßnahmen“, geben, die sowohl der Humanisierung als auch dem Gesundheitsschutz zugeordnet werden können. Wo die Grenzlinie zu ziehen ist, bleibt unklar und ist nach dem hier vertretenen ganzheitlichen Gesundheitsverständnis zweifelhaft. Eine nicht dem Menschen angepasste Arbeit wird immer krankmachende Tendenzen aufweisen bzw. einem Zustand vollständiger Zufriedenheit entgegenstehen.

An diese Differenzierung anknüpfend soll dann auch festgelegt werden, ob das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beachten ist. Dies soll insoweit gelten, als dass Grundsätze der menschengerechten Gestaltung der Arbeit Gesundheitsbezug haben und anderen Maßnahmen lediglich die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte nach §§ 90, 91 BetrVG auslösen.

Nach dem klaren Wortlaut des § 2 ArbSchG erfasst ist aber, dass jedenfalls der gesundheitsnahe Bereich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit den Maßnahmen des Arbeitsschutzes zuzurechnen ist.

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g) Was versteht man unter „Unfall“?

Unfälle bei der Arbeit sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Anders als im Unfallversicherungsrecht ist der Wegeunfall aus dem Begriff ausgeklammert.

Andererseits ist der Unfallbegriff im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes weiter, da die im Unfallversicherungsrecht geltende „Theorie der wesentlichen Bedingungen“ nicht anwendbar ist.

Der von Art. 5  Abs. 1 RL 89/301 normierte umfassende Schutz und Präventionszweck gebietet Verhütung vor Unfällen auch dann, wenn sie nicht „wesentliche Bedingung“, sondern „nur“ als eine mitwirkende Ursache für einen Unfall von Bedeutung sind.

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