Mitbestimmung auch für den Fall der Anordnung von Überstunden nur einem*r Arbeitnehmer*in gegenüber?
Oftmals stellt sich für Betriebsräte die Frage, ob im Fall einer Überstundenanordnung gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer noch ein Mitbestimmungsrecht besteht. Liegt hierin noch eine kollektive Interessenvertretung des Betriebsrates oder eine rein individuelle Regelung, die das Mitbestimmungsrecht ausschließt? Letzteres wird in der Praxis häufig von Arbeitgebern gegenüber Betriebsräten eingewandt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG spielt es dagegen keine Rolle, wie viele Beschäftigte von der Überstundenanordnung betroffen sind. Bei der Anordnung von Überstunden stellen sich immer kollektive Regelungsfragen, die nicht nur den Betroffenen selbst, sondern unabhängig davon auch die Interessen der anderen Beschäftigten berühren. So muss der Arbeitgeber die Entscheidung darüber treffen, ob und wenn ja, in welchem Umfang er Überstunden anordnet oder ob er stattdessen Neueinstellungen vornimmt und wie er die vorhandene Arbeit (neu-)verteilt. Weiter ist zu entscheiden, wann und von wem die Überstunden zu leisten sind. Folglich kann auch die Anordnung einer Überstunde gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auslösen. (BAG, 16.07.1991 – 1 ABR 69/90)
Im Bereich der Überstunden ist die Mitbestimmung des Betriebsrates daher nur in äußerst seltenen Fällen durch individuelle Besonderheiten ausgeschlossen. Denkbar wären hier z. B. die Gewährung eines Wunsches einer Büroangestellten auf Arbeitszeitverlagerung zur Wahrnehmung eines privaten Termins, ohne dass von dieser Regelung andere Kollegen und Kolleginnen betroffen sind.
Die Mitbestimmung ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitsvertrag ausdrücklich die Anordnung von Überstunden erlaubt. Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG verdrängt als höherrangiges Recht zu Gunsten der Arbeitnehmer*innen die entgegenstehenden Regelungen im Arbeitsvertrag.