Rechte der Arbeitnehmer*innen

  1. Was versteht man unter Entgelt?
  2. Woraus ergibt sich der Entgeltanspruch?
  3. Was gilt, wenn eine Vergütung nicht ausdrücklich vereinbart wurde?
  4. Welche unterschiedlichen Vergütungsformen gibt es?
  5. Haben Arbeitnehmer*innen Anspruch auf Sonderzuwendungen (z.B. Weihnachtsgeld)?
  6. Können übertarifliche Zulagen auf Tariflohnerhöhungen angerechnet werden?
  7. Kann der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung einseitig reduzieren?
  8. Müssen Überstunden vergütet werden?
    a.    Besteht darüber hinaus ein Anspruch auf Überstundenzuschläge?
  9. Was ist unter einer betrieblichen Übung zu verstehen?
  10. Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Zahlung der Vergütung ohne Arbeitsleistung?
  11. Müssen Arbeitnehmer*innen die Höhe ihrer Vergütung gegenüber den Kolleg*innen geheim halten?
  12. Wann gehen Ansprüche auf Zahlung der Vergütung verloren?

1. Was versteht man unter Entgelt?

„Entgelt“ ist die Gegenleistung des Arbeitgebers für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Durch den Arbeitsvertrag verpflichten sich Arbeitnehmer*innen zur Erbringung einer bestimmten Arbeits- oder Dienstleistung. Für diese Leistung erhalten sie einen Ausgleich in Geld. Dieser Ausgleich wird mit dem Oberbegriff „Entgelt“ oder „Vergütung“ bezeichnet, in der Praxis werden auch die Begriffe Lohn und Gehalt verwendet. Früher wurde klassischerweise die Vergütung von Arbeitern als Lohn und die Vergütung von Angestellten als Gehalt bezeichnet. Da mittlerweile eine Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten immer schwerer zu ziehen ist, werden die Begriffe Lohn und Gehalt heute synonym verwendet.

Unter „Arbeitsentgelt“ werden die Leistungen verstanden, die der Arbeitgeber als Gegenleistung für die von dem*der Arbeitnehmer*in erbrachte Arbeitsleistung erbringt. Durch Abschluss eines Arbeitsvertrages verpflichten sich Arbeitnehmer*innen zur Erbringung bestimmter Arbeitsleistungen, für die sie im Gegenzug vom Arbeitgeber Entgelt erhalten. Zu diesem Entgelt zählen das Grundgehalt ebenso wie sonstige Geld- (Prämie, Bonus, Weihnachts- und Urlaubsgeld o.ä.) oder Sachleistungen (Dienstfahrzeug zur privaten Nutzung o.ä.).

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2. Woraus ergibt sich der Entgeltanspruch?

Der individuelle Entgeltanspruch ergibt sich in aller Regel aus dem Arbeitsvertrag. Dieser wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in – meistens schriftlich – abgeschlossen und hält einerseits fest, welche Arbeits- oder Dienstleistungen Arbeitnehmer*innen erbringen müssen, und andererseits, wie diese Arbeits- oder Dienstleistungen vom Arbeitgeber zu vergüten sind. Da auch ein mündlich abgeschlossener Arbeitsvertrag wirksam ist, wenn sich die Vertragsparteien über die wesentlichen Vertragsbedingungen geeinigt haben, können Arbeitnehmer*innen auch auf dieser Grundlage die Zahlung der vereinbarten Vergütung verlangen. Sollte der Arbeitgeber diese nicht leisten und Arbeitnehmer*innen ihre Vergütung gerichtlich einklagen wollen, müssten sie allerdings vor Gericht den (mündlichen) Abschluss des Arbeitsvertrages beweisen.

Findet ein Tarifvertrag direkt Anwendung, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer*in an diesen gebunden sind, oder verweist der Arbeitsvertrag des*der Arbeitnehmers*in auf einen Tarifvertrag, ergibt sich die konkrete Höhe der Vergütung aus dem jeweiligen Tarifvertrag.

Ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers kann sich u.U. auch aus einem entsprechenden Vorverhalten des Arbeitgebers ergeben. Erbringt dieser eine bestimmte Leistung (z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) über einen längeren Zeitraum (im Regelfall dreimal hintereinander) ohne Vorbehalt, entsteht eine sogenannte „betriebliche Übung“. Da bei den Arbeitnehmer*innen aufgrund der wiederholten Leistung die berechtigte Erwartung entstanden ist, dass die Leistung auch in der Zukunft erbracht werden wird, können diese sich auf die betriebliche Übung berufen und der Arbeitgeber kann sich nicht einseitig von dieser lösen. Aufgrund der betrieblichen Übung hat der*die einzelne Arbeitnehmer*in dann einen einklagbaren Anspruch auf die entsprechenden Leistungen.

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3. Was gilt, wenn eine Vergütung nicht ausdrücklich vereinbart wurde?

Ist im Arbeitsvertrag ausnahmsweise keine Regelung zur Vergütung getroffen worden und verweist der Arbeitsvertrag auch nicht auf einen Tarifvertrag, besteht in aller Regel dennoch ein Rechtsanspruch auf Zahlung einer Vergütung als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung.
§ 612 BGB
bestimmt, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, soweit die Arbeits- bzw. Dienstleistung den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Dies wird bei Arbeitsverhältnissen regelmäßig der Fall sein. Ist die Höhe der Vergütung nicht vereinbart und die Arbeits- oder Dienstleistung nur gegen Vergütung zu erwarten , wird die übliche Vergütung als Bemessungsgrundlage herangezogen. Dabei wird sich üblicherweise an den Tarifverträgen der entsprechenden Branche und der entsprechenden Region orientiert. Im Zweifelsfall muss die konkrete Höhe der Vergütung durch gerichtliche Schätzung ermittelt werden.

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4. Welche unterschiedlichen Vergütungsformen gibt es?

Beim Entgelt werden mehrere Vergütungsformen unterschieden.

Die erste Unterscheidung wird zwischen Zeit- und Akkordvergütung vorgenommen.

Bei der Zeitvergütung wird die Höhe der Entlohnung nach der von den Arbeitnehmer*innen geleisteten Arbeitszeit berechnet, ohne dass Rücksicht auf das konkrete Arbeitsergebnis genommen wird. Es kommt hier also für die Vergütungshöhe lediglich auf die vereinbarte bzw. real geleistete Arbeitszeit an – und nicht auf die Qualität der geleisteten Arbeit bzw. die bei der Arbeit erzielten Ergebnisse. Heutzutage ist dies in den meisten Arbeitsverhältnissen die gängige Vergütungsform.

Im Gegensatz dazu wird bei der Akkordvergütung die Höhe der Entlohnung nach dem erbrachten Arbeitsergebnis berechnet. Die Vergütung ist also umso höher, je schneller und effektiver der*die Arbeitnehmer*in arbeitet. Die Akkordvergütung wird daher auch als Leistungsvergütung bezeichnet. Es wird üblicherweise zwischen zwei Arten der Akkordvergütung unterschieden, dem Geld- bzw. Stückakkord und dem Zeitakkord. Beim Geld- bzw. Stückakkord wird für eine bestimmte Arbeitsleistung im Vorfeld ein bestimmter Geldfaktor festgelegt (z.B. für die Produktion von einem Bauteil 15,00 EUR, für das Verputzen von 1m² Wand 20,00 EUR). Die konkrete Vergütung richtet sich dann nach der Anzahl der erbrachten Einzelleistungen und dem jeweils zugrunde gelegten Geldfaktor.

Beispiel: Es wurden 100 Bauteile im Monat gefertigt, pro Bauteil wurde ein Geldfaktor von 20,00 EUR festgelegt = 2.000,00 EUR  werden für den Monat vergütet.

Beim Zeitakkord wird für eine bestimmte Arbeitsleistung im Vorfeld eine bestimmte Arbeitszeit festgelegt, in der diese Arbeitsleistung erbracht werden soll (sog. Vorgabezeit). Für jede Minute der vorgegebenen Zeit wird ein bestimmter Geldbetrag (Geldfaktor) festgelegt. Der konkrete Verdienst berechnet sich dann aus einer Multiplikation der Vorgabezeit mit dem Geldfaktor und der fertiggestellten Stückzahl.

Neben Zeit- und Akkordvergütung sind häufig auch Prämien Bestandteil der Vergütung. Prämien sollen eine bestimmte Leistung honorieren, z.B. für eine bestimmte Arbeitsmenge (Mengenprämie, Überstundenprämie), für eine bestimmte Qualität (Güteprämie) oder für sonstige Leistungen, wie eine Treueprämie für eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit oder eine Gesundheitsprämie, wenn keine oder nur eine geringe Anzahl von Krankheitstagen vorliegen. Prämien werden in der Regel zusätzlich zur Grundvergütung gezahlt. Es ist aber auch möglich, dass die gesamte Vergütung nach einem Prämiensystem berechnet wird.

Neben Prämien kommen in der Praxis auch die Vergütungsarten Provisionen und Gratifikationen in Betracht.

Provision ist eine in Prozentzahlen ausgedrückte Umsatzbeteiligung des Beschäftigten an den von ihm abgeschlossenen Geschäften bzw. dem Wert der geleisteten Arbeit. Provisionen werden in der Praxis häufig für Verkaufspersonal vereinbart (z.B. 1 % Provision für jeden verkauften Neuwagen).

Als Gratifikationen werden Sonderzuwendungen bezeichnet, die aufgrund von bestimmten Anlässen gezahlt werden, wie beispielsweise Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.

Selbstverständlich ist auch eine Kombination der beschriebenen Vergütungsformen möglich.

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5. Haben Arbeitnehmer*innen Anspruch auf Sonderzuwendungen (z.B. Weihnachtsgeld)?

Häufig werden neben der regulären Vergütung auch Sonderzuwendungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gezahlt. Es stellt sich daher die Frage, ob Arbeitnehmer*innen diese Zahlungen im Zweifelsfall auch gerichtlich durchsetzen können.

Grundsätzlich besteht ein einklagbarer Anspruch auf Zahlung von Sondervergütungen nur, wenn entweder ein tariflicher oder arbeitsvertraglicher Anspruch auf die Zahlung besteht, also der Tarifvertrag eine Zahlungspflicht beinhaltet oder sich der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer zur Zahlung verpflichtet hat.

In der Praxis leisten Arbeitgeber teilweise auch freiwillige Zahlungen, auf die weder nach Tarif-  noch Arbeitsvertrag ein Anspruch besteht (siehe betriebliche Übung). In einem solchen Fall kommt es für die Frage, ob Arbeitnehmer*inen auch in Zukunft einen Anspruch auf die Sonderzahlung haben, darauf an, ob der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt hat, dass die Zahlung freiwillig und ohne einen Rechtsanspruch erfolgt. Hat der Arbeitgeber dies erklärt, besteht kein Anspruch auf die Zahlung der Sonderzahlung. Hat der Arbeitgeber eine solche Erklärung allerdings nicht abgegeben und die Sonderzahlung vorbehaltslos über einen bestimmten Zeitraum gezahlt, ist es möglich, dass ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf diese Zahlungen aufgrund einer betrieblichen Übung entstanden ist, auf den sich Arbeitnehmer*innen auch in der Zukunft berufen können.

Auch ist es denkbar, dass ein Anspruch auf eine Sonderzahlung aufgrund einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung besteht. Da Betriebsvereinbarungen gem. § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend gelten, können sich auch die einzelnen Beschäftigten auf diese berufen und bei Weigerung des Arbeitgebers ihre Ansprüche aus der Betriebsvereinbarung einklagen.

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6. Können übertarifliche Zulagen auf Tariflohnerhöhungen angerechnet werden?

Der Arbeitgeber kann tarifgebundenen Arbeitnehmer*innen grundsätzlich auch einen höheren Lohn auszahlen als der Tarifvertrag vorsieht. Es gilt das Günstigkeitsprinzip, das besagt, dass für Arbeitnehmer*innen günstigere individuelle Regelungen – wie hier die individuelle Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in –, der kollektiven Regelung im Tarifvertrag vorgehen. In der Praxis werden daher, soweit die Marktlage es erfordert, neben tariflichen Leistungen auch übertarifliche Zulagen gezahlt. Im Falle von Erhöhungen der Tariflöhne stellt sich dann regelmäßig die Frage, ob die Tariflohnerhöhung auf diese übertariflichen Zulagen angerechnet werden kann oder nicht.

Ob eine solche Anrechnung der Tarifloherhöhung auf übertarifliche Zulagen zulässig ist, bestimmt sich zunächst danach, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in zu dieser Frage eine ausdrückliche Regelung getroffen haben:

Haben sie im Arbeitsvertrag oder in einer entsprechenden Vereinbarung geregelt, dass die Zulage unabhängig vom Tariflohn gezahlt wird und im Falle einer Tariflohnerhöhung nicht angerechnet werden kann, sind die übertariflichen Zulagen stets zusätzlich zur Tariflohnerhöhung zu zahlen – und zwar in voller Höhe.

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in umgekehrt ausdrücklich vereinbart, dass im Falle einer Tariflohnerhöhung übertarifliche Zulagen angerechnet werden können, ist dies im Falle einer Tariflohnerhöhung rechtlich zulässig.

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in keine ausdrückliche Regelung für diesen Fall getroffen, ist im Einzelfall zu ermitteln, ob eine Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage möglich ist oder nicht. Entscheidend ist dabei, ob die Umstände darauf schließen lassen, dass die übertarifliche Zulage als selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn gezahlt wird. Dabei kommt es auf den konkreten Zweck der Zulage an:

Wird die Zulage für eine bestimmte Erschwernis (wie beispielsweise eine Schmutzzulage) oder eine besondere Leistung  bzw. Funktion (wie beispielsweise eine Zulage für einen Vorarbeiter wegen dessen besonderer Verantwortung) gezahlt, ist sie als selbstständiger Entgeltbestandteil zu bewerten mit der Folge, dass eine Anrechnung auf die Tariflohnerhöhung ausgeschlossen ist.

Soll die Zulage hingegen lediglich die allgemeine Arbeitsleistung honorieren, ist sie nicht als selbstständiger Entgeltbestandteil anzusehen, sodass eine Anrechnung möglich ist.

Da die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann, ist es ratsam, mit dem Arbeitgeber konkret zu vereinbaren, was mit der Zulage im Falle einer Tariflohnerhöhung geschehen soll.

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7. Kann der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung einseitig reduzieren?

Der Arbeitgeber darf eine einmal vereinbarte Vergütung grundsätzlich nicht einseitig reduzieren. Auch wenn Arbeitnehmer*innen über einen längeren Zeitraum oder dauerhaft eine mangelhafte Arbeitsleistung erbringen oder der Arbeitgeber in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt, kann er das Entgelt nicht einseitig kürzen. Auch kann die Zahlung des Arbeitsentgelts nicht an die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers geknüpft werden. Dem Arbeitgeber bleibt in einem solchen Fall lediglich der (rechtlich auf absolute Ausnahmefälle begrenzte) Weg über eine Änderungskündigung.

Von diesem Grundsatz gibt es allerdings eine Ausnahme: Der Arbeitgeber kann, soweit dies ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart wurde, einen Anteil der Gesamtvergütung einseitig kürzen (sog. Widerrufsvorbehalt). Dies ist allerdings nur zulässig, soweit der widerrufliche Anteil des Lohnes unter 25 – 30 % des Gesamtlohnes liegt und den Tariflohn nicht unterschreitet. Weiterhin muss der Arbeitgeber Gründe für die Ausübung des Widerrufs vorbringen, die bereits in der vertraglichen Klausel angelegt sein müssen. In der Praxis werden dafür hauptsächlich wirtschaftliche Gründe in Betracht kommen.

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8. Müssen Überstunden vergütet werden?

Überstunden gehören für viele Beschäftigte zur Arbeitsrealität. Dabei stellt sich regelmäßig die Frage, ob und in welchem Umfang geleistete Überstunden vom Arbeitgeber zu vergüten sind.

In vielen Arbeits- und Tarifverträgen ist ausdrücklich geregelt, dass Überstunden zu bezahlen sind. Ist dies so klar geregelt, besteht kein großes Konfliktpotential. Interessanter wird es, wenn keine ausdrückliche arbeitsvertragliche oder tarifliche Regelung besteht. In diesem Fall kann sich ein Anspruch auf Bezahlung der Überstunden aus § 612 Abs. 1 BGB ergeben. Dies ist der Fall, wenn die Leistung der Überstunden „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“ Die Vergütung der Überstunden gilt dann als stillschweigend vereinbart. Das Bundesarbeitsgericht führt dazu in seiner Entscheidung vom 22.02.2012 (Az. 5 AZR 765/10) u.a. aus:

„Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt. Sie kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen. Die – objektive – Vergütungserwartung wird deshalb in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein.“

Grundsätzlich sind geleistete Überstunden somit wie normale Arbeitszeit zu vergüten, auch wenn es dazu keine ausdrückliche Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag gibt. Sind betroffene Arbeitnehmer*innen im konkreten Einzelfall damit einverstanden oder liegt eine entsprechende vertragliche oder tarifliche Vereinbarung vor, ist es auch möglich, dass die geleisteten Überstunden in Freizeit statt in Geld ausgeglichen werden.

Eine Besonderheit gilt in den Bereichen, in denen eine deutlich überdurchschnittliche Vergütung gezahlt wird. Dies ist nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Fall, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (vgl. BAG, Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 765/10; im Jahr 2020: 82.800,00 EUR jährlich in den alten Bundesländern und 77.400,00 EUR jährlich in den neuen Bundesländern). Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass in diesen hochbezahlten Bereichen die Arbeitnehmer*innen nach der Erfüllung ihrer Aufgaben bezahlt werden und nicht nach den abzuleistenden Stunden. Anders ausgedrückt: Es wird bereits so viel gezahlt, dass Überstunden (soweit notwendig) bereits in der Vergütung mit enthalten sind. Dies wird in der Praxis allerdings nur einen kleinen Teil der Beschäftigten betreffen.

Teilweise wird in einigen Arbeitsverträgen auch ausdrücklich geregelt, dass Überstunden mit dem regulären Lohn abgegolten sind und nicht zusätzlich entlohnt werden. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Arbeitnehmer*innen unentgeltlich Überstunden leisten müssen. Dies ist nur der Fall, wenn die Klausel wirksam ist und Arbeitnehmer*innen nicht unangemessen benachteiligt
(§ 307 BGB). In welchen Fällen eine unangemessene Benachteiligung vorliegt, lässt sich an den folgenden Beispielen darstellen:

Beispiel 1:
Der Arbeitsvertrag enthält folgende Klausel:

„Erforderliche Überstunden werden nicht gesondert vergütet, sondern sind mit dem Gehalt abgegolten.“

Eine solche Klausel würde die Arbeitnehmer*innen unangemessen benachteiligen und ist daher unwirksam. Die Arbeitnehmer*innen können nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen Überstunden überhaupt angeordnet werden dürfen. Der Begriff der „erforderlichen Überstunden“ ist zu unbestimmt. Zudem enthält die Klausel auch keine Begrenzung der Anzahl der Überstunden, die mit der Arbeitsvergütung abgegolten sind. Aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel hätte Arbeitnehmer*innen daher im Falle der Ableistung von Überstunden dennoch einen Anspruch auf Bezahlung der Überstunden (vgl. BAG, Urteil vom 01.09.2010 – Az. 5 AZR 517/09).

Beispiel 2:
Der Arbeitsvertrag enthält folgende Klausel:

„Überstunden werden nicht gesondert vergütet, sondern sind mit dem Gehalt abgegolten, soweit sie einen Umfang von zwei Stunden pro Woche nicht überschreiten. Darüberhinausgehende Überstunden werden auf der Grundlage des monatlichen Grundgehaltes gesondert bezahlt.“

Eine solche Klausel wäre wirksam (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2012 – Az. 5 AZR 331/11). Die abgegolten Überstunden sind zeitlich genau bestimmt und es ist geregelt, dass alle Überstunden, die über den vereinbarten Wert hinausgehen, bezahlt werden. Die mit dem Gehalt abgegoltenen Überstunden überschreiten auch nicht das übliche Maß. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn nicht zwei Überstunden pro Woche mit der regulären Vergütung abgegolten wären, sondern bis zu zehn Überstunden pro Woche. Hier müsste also der Arbeitgeber die ersten beiden Überstunden im Monat nicht bezahlen, alle darüberhinausgehenden Überstunden jedoch schon.

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8. a) Besteht darüber hinaus ein Anspruch auf Überstundenzuschläge?

Ein Anspruch auf entsprechende Überstundenzuschläge besteht nur, soweit dies durch Arbeits- oder Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist. Lediglich wenn die Überstunden auch gleichzeitig Nachtarbeit (vgl. zur Definition von Nachtarbeit § 2 Abs. 3 ArbZG) darstellen, besteht gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG ein gesetzlicher Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag. In der Regel ist ein 25 %-iger Zuschlag angemessen.

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9. Was ist unter einer betrieblichen Übung zu verstehen?

Wenn der Arbeitgeber Leistungen freiwillig erbringt, ohne hierzu vertraglich oder tariflich verpflichtet zu sein, und er dies vorbehaltlos über einen längeren Zeitraum tut, kann ein Rechtsanspruch auf Gewährung dieser Leistungen auch in der Zukunft entstehen. Dabei wird dann von einer betrieblichen Übung gesprochen. Grundlage ist das schutzwürdige Vertrauen der Arbeitnehmer*innen, die sich auf eine Weiterzahlung der freiwilligen Leistung auch in den kommenden Jahren eingestellt und vertraut und gegebenenfalls ihren Lebensstil danach ausgerichtet hat.

Beispiel: Ein Arbeitgeber zahlt freiwillig und vorbehaltslos über einen Zeitraum von fünf Jahren allen Mitarbeiter*innen jeweils zum Jahresende ein volles Monatsgehalt als Weihnachtsgeld. Eine Verpflichtung dazu besteht weder laut Arbeitsvertrag noch nach Tarifvertrag. Im sechsten Jahr zahlt der Arbeitgeber kein Weihnachtsgeld mehr. Er ist der Meinung, da die Zahlungen jedes Mal freiwillig erfolgt seien, könne er nicht dazu gezwungen werden, diese auch weiterhin zu erbringen. Da der Arbeitgeber die Zahlungen jedoch vorbehaltlos über einen längeren Zeitraum erbracht hat, haben die Arbeitnehmer*innen in der Zwischenzeit ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand des Weihnachtsgelds auch in der Zukunft entwickelt. Daraus folgt ein Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes auch in den kommenden Jahren.

Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte freiwillige Leistung (wie beispielsweise Weihnachtsgeld oder jährliche Sonderzahlungen) mehrmals hintereinander vorbehaltlos gewährt hat. Eine vorbehaltlose Gewährung liegt vor, wenn der Arbeitgeber bei der Auszahlung nicht ausdrücklich erklärt hat, dass die Leistung freiwillig erfolgt und keinen Rechtsanspruch begründen soll. In der Praxis werden daher häufig Formulierungen wie diese verwendet, um das Entstehen einer betrieblichen Übung zu verhindern:

„Sehr geehrte Frau X,
wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen dieses Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von X EUR mit der Dezemberabrechnung auszahlen werden. Wir machen sie darauf aufmerksam, dass diese Zahlung freiwillig erfolgt und sich aus der Zahlung keine Rechtsansprüche auf künftige Zahlungen ableiten lassen.
Mit freundlichen Grüßen“

Früher hat die Rechtsprechung für das Entstehen einer betrieblichen Übung eine „gleichförmige Wiederholung“ der Leistung durch den Arbeitgeber verlangt. Eine betriebliche Übung wurde ausgehend davon nur angenommen, wenn vorbehaltlos und über eine längere Zeit hinweg immer derselbe Betrag ausgezahlt wurde. Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13.05.2015 (10 AZR 266/14) abgerückt. Nunmehr soll es bereits genügen, dass der Arbeitgeber mehrmals vorbehaltlos geleistet hat, auch wenn die jeweiligen Zahlungen in ihrer Höhe variieren.

Eine einmal entstandene betriebliche Übung kann der Arbeitgeber nicht einseitig beseitigen. Früher wurde davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeber eine betriebliche Übung dadurch beenden könne, dass er dreimal hintereinander bei Gewährung der Leistung erklären musste, dass diese für die Zukunft freiwillig erfolge. Damit sollte das schutzwürdige Vertrauen der Arbeitnehmer*innen auf diese Leistung zerstört werden. Mit seiner Entscheidung vom 18.03.2009 (Az. 10 AZR 281/08) hat das BAG diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. Für den Arbeitgeber bestehen daher nur noch folgende Möglichkeiten, sich rechtlich von einer betrieblichen Übung zu lösen: Einerseits ist es möglich, mit den betroffenen Arbeitnehmer*innen jeweils eine individualvertragliche Vereinbarung zu treffen, nach der die betriebliche Übung einvernehmlich beseitigt oder geändert wird. Selbstverständlich können Arbeitnehmer*innen zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung jedoch nicht gezwungen werden. Möchte der Arbeitgeber die betriebliche Übung dennoch einseitig beseitigen, müsste er eine Änderungskündigung aussprechen, die ihrerseits wiederum wirksam sein müsste.

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10. Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Zahlung der Vergütung ohne Arbeitsleistung?

Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer*innen ihre Vergütung nur dann beanspruchen können, wenn sie auch gearbeitet haben, da diese gerade die Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellt. Haben Arbeitnehmer*innen keine Arbeitsleistung erbracht, sollen sie dafür grundsätzlich auch keine Gegenleistung bekommen.

Von diesem Grundsatz gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmen:

  • So ist der Arbeitgeber beispielsweise bei Urlaub der Arbeitnehmer*innen gemäß § 11 BurlG zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts während der Dauer des Urlaubs verpflichtet.
  • Im Fall der Arbeitsunfähigkeit besteht nach § 3 EntgFG ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zu einer Dauer von sechs Wochen.
  • Auch an gesetzlichen Feiertagen gewährt § 2 EntgFG einen Anspruch auf Lohnfortzahlung, ohne dass Arbeitnehmer*innen eine entsprechende Arbeitsleistung erbringen müssen.

Ein weiterer wichtiger Ausnahmefall ist, dass Arbeitnehmer*innen einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung haben, wenn sich der Arbeitgeber nach § 615 BGB im Annahmeverzug befindet. Ein Arbeitgeber kommt in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene mögliche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer*innen nicht annimmt.

Beispiel: Ein*e Arbeitnehmer*in erscheint ordnungsgemäß am Arbeitsplatz und ist bereit, zu arbeiten. Der Arbeitgeber schickt den*die Arbeitnehmer*in jedoch wieder nach Hause, da es gerade nichts zu tun gibt. Da der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko trägt, dass er nicht genug Arbeit für seine Arbeitnehmer*innen hat, kann der*die Arbeitnehmer*in in einem solchen Fall die vereinbarte Vergütung verlangen.

Arbeitnehmer*innen müssen sich im Falle des Annahmeverzuges jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was sie

  • infolgedessen, dass sie nicht arbeiten mussten, erspart haben,
  • durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitsleistung verdient haben oder
  • zu erwerben böswillig unterlassen haben.

Beispiele: Der*Die Arbeitnehmer*in spart die Fahrtkosten von der Wohnung zum Arbeitsplatz, weil er*sie nicht arbeitet.
Der*Die Arbeitnehmer*in übt in den Tagen, an denen er*sie nicht arbeitet, eine andere Tätigkeit, für die er*sie eine Vergütung erhält.
Der*Die Arbeitnehmer*in erhält im Zeitraum des Annahmeverzuges ein anderweitiges Arbeitsangebot und nimmt dieses nicht an, obwohl ihm*ihr dies zumutbar gewesen wäre.

Nach § 616 BGB geht der Anspruch auf Zahlung der Vergütung außerdem nicht dadurch verloren, dass Arbeitnehmer*innen für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert sind. Dies wird auch als Arbeitsausfall aus persönlichen Gründen bezeichnet.

Beispiele: Geburten, Begräbnisse in der eigenen Familie, eine gerichtliche Ladung als Zeuge, die eigene Hochzeit, ein Arztbesuch, soweit dieser nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich ist, die Erkrankung eines im Haushalt des Arbeitnehmers lebenden Kindes unter 12 Jahren (wenn die Betreuung nicht anderweitig sichergestellt werden kann).

Die Anwendung von § 616 BGB kann allerdings im Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen oder auf einzelne Fälle konkretisiert bzw. begrenzt werden.

Besonderheiten bestehen auch für Betriebsratsmitglieder. Grundsätzlich soll die Betriebsratstätigkeit gem. § 37 Abs. 2 BetrVG während der Arbeitszeit erfolgen. Demnach müssen Betriebsratsmitglieder, soweit sie während ihrer Arbeitszeit erforderliche Betriebsratstätigkeit leisten, in diesem Zeitraum von ihrer Arbeitspflicht unter Fortzahlung der ihnen zustehenden Vergütung freigestellt werden.

Soweit Betriebsratsmitglieder aus betriebsbedingten Gründen (beispielweise wegen den unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder) außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit erforderliche Betriebsratsarbeit leisten, haben sie gem. § 37 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Freizeitausgleich. Kann der Arbeitgeber den Freizeitausgleich aus betriebsbedingten Gründen nicht innerhalb eines Monats gewähren, ist die aufgewendete Zeit wie Überstunden zu bezahlen.

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11. Müssen Arbeitnehmer*innen die Höhe ihrer Vergütung gegenüber den Kolleg*innen geheim halten?

In einigen Arbeitsverträgen gibt es Regelungen, dass Arbeitnehmer*innen über die Höhe der mit dem Arbeitgeber vereinbarten Vergütung Stillschwiegen zu bewahren haben. Dadurch soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer*innen mit ihren Kolleg*innen über ihren Verdienst sprechen, da dies den Betriebs- und Arbeitsfrieden gefährden könne.

Über einen solchen Fall hatte das LAG Mecklenburg-Vorpommern am 21.10.2009 (Az. 2 Sa 237/09) zu entscheiden, in dem es darum ging, ob eine Abmahnung auf Grund eines Verstoßes gegen eine derartige arbeitsvertragliche Vorgabe aus der Personalakte des Arbeitnehmers zu entfernen ist und, ob eine solche arbeitsvertragliche Verpflichtung tatsächlich rechtswirksam ist.

Der Fall:
Ein Arbeitnehmer erhielt auf Grund einer Unterhaltung mit einem Kollegen über die Höhe seiner monatlichen Vergütung eine Abmahnung vom Arbeitgeber. Begründet wurde die Abmahnung damit, dass der Arbeitnehmer durch das Gespräch gegen eine arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen habe.
Der Arbeitnehmer erhob Klage gegen die Wirksamkeit der Abmahnung und begründete diese damit, dass die arbeitsvertragliche Klausel unwirksam sei.
Sowohl das Arbeitsgericht Schwerin als auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern gaben dem Arbeitnehmer Recht. Dazu führte das LAG aus:

„Eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, über seine Arbeitsvergütung auch gegenüber Arbeitskollegen Verschwiegenheit zu bewahren, ist unwirksam, da sie den Arbeitnehmer daran hindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen. Darüber hinaus verstößt sie gegen Art. 9 Abs. 3 GG.“

Das LAG verwies folglich darauf, dass der Arbeitgeber bei der Lohngestaltung den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren habe. Die Einhaltung dieser Verpflichtung könne durch die Arbeitnehmer*innen aber nur dann überprüft werden, wenn sie sich über ihre Vergütung austauschen können. Dies dürfe nicht durch eine entsprechende vertragliche Klausel umgangen werden.

Zudem stellt eine derartige Klausel nach Auffassung des LAG einen Verstoß gegen die grundgesetzliche geschützte Koalitionsfreiheit dar. Da eine Verschwiegenheitsklausel gegenüber jedermann und damit auch gegenüber der Gewerkschaft gelten würde, in der der Arbeitnehmer Mitglied ist, wäre es ihm nicht möglich, diese über Lohnstrukturen o.ä. hinzuweisen.

Mit dem im Juli 2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz ist nunmehr ein gesetzlicher Anspruch auf Mitteilung des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgeltes für Beschäftigte des jeweils anderen Geschlechts mit einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit geschaffen worden. Dies unterstreicht, dass ein Verbot mit Kolleg*innen über die Höhe des eigenen Entgelts zu sprechen, rechtlich nicht haltbar ist, unabhängig davon, ob dies als ausdrückliche Regelung in den Arbeitsvertag mit aufgenommen wurde oder die Anordnung kraft Direktionsrechtes des Arbeitgebers erfolgt.

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12. Wann gehen Ansprüche auf Zahlung der Vergütung verloren?

Arbeitnehmer*innen haben grundsätzlich einen Anspruch auf Erfüllung ihrer Lohn- und Gehaltsansprüche.

Diese können jedoch verloren gehen, z.B. aufgrund von Ausschlussfristen oder Verjährung:

a)     Ausschlussfrist

Häufig sind in Arbeits- oder Tarifverträgen Ausschlussfristen vereinbart. Ausschlussfristen sind Fristen, innerhalb derer eine bestimmte Forderung geltend gemacht werden muss, ansonsten erlischt der Anspruch. Der Anspruch erlischt dabei automatisch,  ohne dass sich der Vertragspartner hierauf berufen müsste. Unterschieden werden dabei sog. ein- und zweistufige Ausschlussfristen.

Von einstufigen Ausschlussfristen wird gesprochen, wenn die Ansprüche bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüber dem anderen Vertragspartner geltend gemacht werden müssen. Diese Geltendmachung hat im Regelfall schriftlich zu erfolgen.

Im Gegensatz dazu verlangen zweistufige Ausschlussfristen, dass die Forderung in einem ersten Schritt innerhalb einer bestimmten Frist (schriftlich) gegenüber dem Vertragspartnergeltend gemacht (erste Stufe) und bei Nichterfüllung dann innerhalb einer zweiten Frist beim Arbeitsgericht eingeklagt wird (zweite Stufe).

Beispiel: In einem Arbeitsvertrag ist der folgende Passus enthalten:

„Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht und im Falle der Ablehnung durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden.“

Hier müssen Arbeitnehmer*innen, wenn sie eine Forderung gegenüber ihrem Arbeitgeber nicht verlieren wollen, zunächst in der ersten Stufe die Forderung innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit diesem gegenüber schriftlich geltend machen. Falls der Arbeitgeber die Zahlung verweigert, müssen sie auf der zweiten Stufe innerhalb von drei Monaten Klage erheben.

Ausschlussfristen dürfen dabei nicht beliebig kurz sein. Eine Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag, die kürzer als drei Monate ist, ist unwirksam. Eine solch kurze Frist benachteiligt Arbeitnehmer*innen unangemessen.

Praxistipp:
In der Praxis stellen sich Ausschlussfristen häufig als unwirksam heraus, nicht nur, weil sie zu kurz bemessen sind, sondern weil es eine Vielzahl weiterer Gründe gibt, wegen denen eine Ausschlussfrist unwirksam sein kann, z.B. weil sie unklar formuliert ist oder Ansprüche umfasst, die nicht verfallen dürfen, etwa Mindestlohnansprüche. Es lohnt sich im Zweifelsfall daher, eine vereinbarte Ausschlussfrist von einem Rechtsanwalt auf ihre Wirksamkeit überprüfen zu lassen.

Wichtige Gerichtsentscheidungen zum Thema Ausschlussfristen:
Ausschlussfristen und Mindestlohn: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2016, 5 AZR 703/15
Ungemessene kurze Ausschlussfristen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05

b)    Verjährung

Liegt weder eine tarifvertragliche noch arbeitsvertragliche Vereinbarung über eine Ausschlussfrist vor, unterliegen Ansprüche der „normalen“ Verjährungsfrist. Nach §§ 195, 199 BGB [Link einfügen] verjährt ein Anspruch mit dem Ablauf von drei Jahren, beginnend mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Beispiel:
Der*Die Arbeitnehmer*in hat sein*ihr Gehalt für Mai 2020 nicht erhalten. Nach §§ 195, 199 BGB beginnt die Dreijahresfrist mit Abschluss des Jahres, „in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.“
Die Verjährungsfrist beginnt hier also mit Ende des Jahres 2020. Sie läuft dementsprechend nach drei Jahren am 31.12.2023 um 24 Uhr ab.

Der Eintritt der Verjährung bedeutet im Gegensatz zur Ausschlussfrist nicht, dass der Anspruch der Arbeitnehmer*innen automatisch erloschen ist. Um dies zu erreichen, muss sich der Arbeitgeber vielmehr ausdrücklich auf den Eintritt der Verjährung berufen.

Tut er dies nicht, besteht der Anspruch der Arbeitnehmer*innen weiterhin. Sollte der Arbeitgeber also nicht die Verjährung einwenden, jedoch trotzdem eine Zahlung auf an sich verjährte Ansprüche vornehmen, kann er diese NICHT von den Arbeitnehmer*innen zurückverlangen.

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