Mitbestimmung bei der Ordnung des Betriebes und dem Verhalten der Arbeitnehmer
Alle tatsächlichen oder rechtlichen Maßnahmen des Arbeitgebers, die sich auf die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb beziehen, werden vom Mitbestimmungstatbestand nach Nr. 1 erfasst.
Nicht erfasst wird die außerbetriebliche, private Lebensführung der Arbeitnehmer, zum Beispiel die Gestaltung seines Äußeren wie Haarlänge, Verbot des Tragens eines Bartes, Verbot der Tätowierung usw. Diese unterliegen nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Soweit kein Direktionsrecht besteht, existiert auch keine Mitbestimmung.
Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts ist die gleichberechtigte Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung der betrieblichen Ordnung. Durch Mitbestimmung kann das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, soweit der Arbeitgeber dieses kraft seines Direktionsrechts oder seiner Organisationsbefugnis beeinflussen oder koordinieren kann, mitgestaltet werden. Soweit der Arbeitgeber die betriebliche Arbeitsorganisation kraft Direktionsrechts beeinflussen und koordinieren kann, besteht der Schutz des Mitbestimmungsrechts vor einseitigen Maßnahmen des Arbeitgebers. Der Betriebsrat soll, insbesondere auch zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer, mitbestimmen können.
So hat die Rechtsprechung folgende Einzelfälle als mitbestimmungspflichtig anerkannt.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird die gesamte Ordnung und jedes Verhalten der Arbeitnehmer erfasst. Das Bundesarbeitsgericht nimmt das Arbeitsverhalten aus der Mitbestimmung heraus. Das Arbeitsverhalten betrifft die Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird. Das sind diejenigen Regeln und Einzelweisungen, die von den Arbeitnehmern bei der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung selbst zu beachten sind. Mitbestimmungsfrei sind demnach nur solche Maßnahmen, die allein dem Arbeitsverhalten zugeordnet werden können. Ist eine solche Zuordnung nicht möglich, unterliegt die Maßnahme der Mitbestimmung. Arbeitsbezogene Einzelanweisungen wie zum Beispiel „Machen Sie zuerst diese Arbeit und dann jene Arbeit“ sind nach dieser Rechtsprechung mitbestimmungsfrei.
Das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 1 besteht neben der Sonderregelung in Nr. 6 auch für den Tatbestand der Überwachung der Arbeitnehmer durch technische Einrichtungen. So hat das Bundesarbeitsgericht die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG in einem Fall bejaht, in dem der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer anweist, sich in einem (Kunden-) Betrieb der dort eingerichteten biometrischen Zugangskontrolle (Fingerabdruckerfassung) zu unterziehen (BAG, 27.01.2004 – 1 ABR 7/03).
Mitbestimmungspflichtige Einzelfälle
Vorschriften über das Betreten oder Verlassen des Betriebes
- Torkontrolle,
- Durchleuchten von Taschen, Taschenkontrolle,
- Einführung von Stechuhren und biometrische Zugangskontrolle,
- Anwesenheitslisten in EDV-Zeitstemplern,
- Verbot, den Betrieb während der Pausen zu verlassen,
- Einführung, Ausgestaltung und Nutzung von Werksausweisen,
- Anwesenheitskontrollen bei gleitender Arbeitszeit,
- Abstellen von Fahrzeugen und Belegungsordnung für Parkplätze,
- Sicherung eingebrachter Sachen der Arbeitnehmer,
- Nutzungsordnung für Wasch- und Umkleideräume oder der Küche,
- Regelungen über die Benutzung des Telefons für private Zwecke, soweit dies grundsätzlich vom Arbeitgeber gestattet ist,
- Regelungen zur Nutzung des Internets oder eines E-Mailsystems für private Zwecke, wobei nicht das „Ob“, sondern lediglich das „Wie“ der Mitbestimmung unterliegen soll,
- Erlass von Kleiderordnung,
- Tragen von Namensschildern auf der Dienstkleidung,
- Compliance Systeme, soweit gesetzliche Organisations- und Überwachungspflichten des Arbeitgebers institutionalisiert in der Unternehmenspraxis verankert werden, um entsprechenden Verstößen vorzubeugen. Teil dieser Compliance Systeme sind Verhaltenskodexe, Ethikrichtlinien oder whistleblowing-hotlines. Auch soweit standardisierte Meldeverfahren zum Einsatz kommen, unterliegen diese dem Mitbestimmungsrecht.
- Verbot von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz / Flirtverbot,
- Verwendung von Formblättern zur Erfüllung vertraglicher Mitteilungspflichten,
- Vorschriften über die Behandlung des Arbeitszeugs, Radio hören,
- Anordnung im Verkaufsraum zu stehen,
- Erlass eines Rauchverbots,
- Erlass eines Alkoholverbots,
- formalisierte Krankengespräche, die der Aufklärung von betrieblichen Krankheitsursachen dienen,
- Anordnung, dass AU-Bescheinigungen nach § 5 EFZG vor Ablauf des dritten Kalendertags nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen sind,
- Regelungen über die Mitnahme von Arbeitsunterlagen nach Hause,
- Regelungen zur Abfallvermeidung und -entsorgung,
- formalisierte Mitarbeitergespräche zur Vorbereitung von Zielvereinbarungen,
- Einführung und Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens nach HGG, jedoch nicht die Richtung und die personelle Besetzung der Beschwerdestelle
Thomas Berger
Rechtsanwalt Thomas Berger
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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