Persönlichkeitsrecht: Zulässigkeit von Torkontrollen
Zulässigkeit von Torkontrollen: Eingriff in das Persönlichkeitsrecht?
I. Orientierungssatz
Eine das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter beeinträchtigende Betriebsvereinbarung verstößt nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz, wenn sie einer Verhältnismäßigkeitsprüfung i.S.d. § 75 Abs. 2 BetrVG standhält. Dies ist der Fall, wenn die in ihr geregelte Taschenkontrolle vorsieht, den Diebstahl kleiner Objekte zu verhindern, ein Schaden aufgrund dieser Diebstähle in Höhe von 250.000 EUR entstanden ist und die Auswahl der zu kontrollierenden Mitarbeiter nach einem Zufallsprinzip erfolgt.
(BAG, Beschluss vom 15. April 2014 – 1 ABR 2/13 (B)
II. Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung. Der Betriebsrat der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin hatte Ende 2009 eine BV über die Durchführung von Torkontrollen geschlossen. Darin vereinbarten die Rechtsvorgängerin und ihr Betriebsrat, dass ein Zufallsgenerator die zu kontrollierenden Personen beim Verlassen des Werks auswählt. Der Kontrollzyklus wird dem Betriebsrat mitgeteilt. Die Kontrolle aller mitgeführten Behältnisse, Jacken und Taschen findet im Pförtnerraum an einer nicht einsehbaren Stelle statt. In begründeten Verdachtsfällen wird der Mitarbeiter aufgefordert, seine Kleidertaschen zu leeren. Über jede durchgeführte Kontrolle wird ein Protokoll angefertigt. Die BV ist erst zum 01.08.2012 kündbar und wirkt bis zum Abschluss einer neuen BV nach. Anfang Februar 2010 wurde ein neuer Betriebsrat gewählt.
Zwischen September 2009 und Oktober 2010 wurden Produkte im Wert von 250.000 EUR entwendet, so dass die Arbeitgeberin nunmehr Kontrollen an 30 Tagen im Jahr durchführt. Dabei wurden 86 Personen kontrolliert. Bei einigen wurden auch entwendete Gegenstände aufgefunden. Mit Schreiben vom 13. August 2010 kündigte der neu gewählte Betriebsrat die BV außerordentlich, hilfsweise mit gesetzlicher Frist, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Dabei argumentierte der Betriebsrat unter anderem, die BV greife in unverhältnismäßiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ein.
III. Entscheidungsgründe
Das BAG entschied, dass die in der BV vereinbarten Taschenkontrollen materiell-rechtlich nicht zu beanstanden seien. Die BV sei verhältnismäßig. Sie verletze nicht die aus § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG für die Betriebsparteien auferlegte Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer im Betrieb zu schützen und zu fördern. Das Interesse der Arbeitgeberin am Schutz ihres Eigentums vor Diebstahl rechtfertige einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer, weil den Betriebsparteien kein anderes, gleich wirksames und das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung stehe. Eine Videoüberwachung der Arbeitsplätze wäre ein noch schwerwiegenderer Eingriff, eine Videoüberwachung des Tores würde den Zweck nicht erreichen und das Verbot von Taschen auf dem Werksgelände wäre wirkungslos, weil die Objekte – vorliegend Parfümflaschen – auch in Manteltaschen versteckt werden könnten. Auch die Anzahl (1890 Stück) und der Wert des gestohlenen Parfüms (250.000 EUR) rechtfertigen den Eingriff, da der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht im Verhältnis zum Schaden nur geringfügig sei.
Aufgrund dieser Verhältnismäßigkeit des Eingriffs sei die Protokollierungsregelung in der BV auch mit dem BDSG vereinbar. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob die mit der Protokollierung der Taschenkontrolle durchgeführte nicht automatisierte Erhebung, Nutzung und ggf. auch Verarbeitung personenbezogener Daten von Arbeitnehmern in den Anwendungsbereich des § 32 BDSG falle. Auch sei nicht zu entscheiden, ob die Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb dem Anwendungsbereich des § 32 unterlägen oder hier § 28 BDSG greife. Maßgeblich sei hier, dass die BV eine Rechtsvorschrift gem. § 4 Abs. 1 BDSG sei, die sowohl eine automatisierte als auch eine nicht automatisierte Erhebung, Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten von Arbeitnehmern und Leiharbeitern erlaube und diese BV einer Rechtskontrolle i.S.d. § 75 Abs. 2 BetrVG standhalte.
IV. Anmerkungen
Das BAG hat erneut festgestellt, dass Taschenkontrollen der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen. Erstmals gibt der 1. Senat Anhaltspunkte für die Gestaltung einer Betriebsvereinbarung zur Taschen-, Tor- oder Spindkontrolle.